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Muss man "gewinnen" um ein Erfolgserlebnis zu haben?
In den Köpfen vieler Menschen wird die Idee vorherrschen, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nur Erfolgserlebnisse erleben, wenn die angeklagten Personen verurteilt werden und die vom Gericht ausgesprochene Strafe möglichst hoch ist. Ist dem wirklich so?Von Roland Hochuli, Leitender Staatsanwalt der Hauptabteilung Allgemeine Delikte
Meiner Ansicht nach stimmt diese Aussage nicht absolut. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind gesetzlich verpflichtet, entlastende und belastende Momente eines Ereignisses zu untersuchen, es geht – kurz gesagt – um die Erforschung der materiellen Wahrheit. Dies ist nicht immer einfach, da häufig objektive Beweise fehlen und die Staatsanwaltschaft der beschuldigten Person die Tathandlungen nachweisen muss, diese aber die Mitwirkung verweigern kann. Bei unserer Arbeit ist zentral, dass wir die Schuld der beschuldigten Person beweisen müssen und nicht die beschuldigte Person ihre Unschuld beweisen muss.
Wenn sich bei der Beweiserhebung klar ergibt, dass eine Person als Täter oder Täterin ausgeschlossen werden kann und damit entlastet wird, kann die aus diesem Ergebnis resultierende Einstellung des Verfahrens – bzw. der ausgesprochene Freispruch des Gerichts – durchaus ein gewünschtes Resultat sein, welches die entsprechende Befriedigung über die eigene Arbeit mit sich bringen kann.
Frustration bei Schuldspruch?
Es gibt jedoch immer wieder Verfahren, in denen sich trotz fundierter Untersuchung keine eindeutige Beweislage erarbeiten liess und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auch nicht mit Sicherheit wissen, was passiert ist. In solchen Verfahren sind wir gehalten, in «dubio pro duriore», d.h. im Zweifel gegen die beschuldigte Person, Anklage beim Gericht zu erheben. Es obliegt dann dem Gericht, zu entscheiden, ob die erhobenen Beweise ausreichend sind, um der beschuldigten Person tatbestandsmässiges Handeln nachweisen und sie verurteilen zu können. In solchen Fällen kann es durchaus vorkommen, dass seitens der Staatsanwaltschaft ein Freispruch beantragt wird. Wenn wir bei der Staatsanwaltschaft in diesen Fällen unsere Arbeit gut und gewissenhaft gemacht haben und wir uns selber bewusst sind, dass die Beweislage für eine Verurteilung nicht ausreichend ist, sind wir auch nicht frustriert, wenn die beschuldigte Person freigesprochen wird.
Erfolgserlebnis bei fehlenden Beweisen
Die grösste Herausforderung stellen Deliktsvorwürfe dar, bei welchen keinerlei objektive Beweise vorhanden sind und nur die Aussagen der beteiligten Personen zur Beurteilung zur Verfügung stehen. Wem glaubt man in diesen Fällen bzw. welche Aussage ist glaubhafter? Nimmt man das Opfer nicht ernst, wenn man dessen Aussage nicht für wahr hält oder wird umgekehrt die beschuldigte Person zu Unrecht verurteilt, wenn man dem Opfer fälschlicherweise glaubt? Wir wissen es nicht, denn die wirkliche Wahrheit kennen nur die am Ereignis beteiligten Personen.
Hier ist es eine riesige Herausforderung für die Gerichte, die vorliegenden Aussagen, die in der Regel im Verlauf des Verfahrens mehrfach gemacht werden, nach den Realkriterien zu würdigen und möglichst die richtigen Schlüsse ziehen zu können. In solchen Fällen kann es unabhängig vom Ergebnis ein Erfolgserlebnis für die Staatsanwältin bzw. den Staatsanwalt sein, wenn man sich sicher ist, die Einvernahmen korrekt und umfassend durchgeführt, die richtigen Fragen gestellt und das Verfahren gesamthaft gewissenhaft geführt zu haben.
Erfolgserlebnis versus Fehlverurteilung
Oft herrscht die Meinung vor, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wollen um jeden Preis einen Schuldspruch erreichen. Dies ist falsch, denn verurteilt werden soll nur, wenn das Gericht objektiv zum Schluss gelangt, dass die beschuldigte Person die ihr zur Last gelegten Straftaten begangen hat. Fehlverurteilungen um des Erfolgserlebnisses willen wollen wir sicherlich nicht.
Die Folgen einer Fehlverurteilung sind umso gravierender, je schwerer der Tatvorwurf wiegt und dessen sind wir uns bewusst und wollen dies auch vermeiden. Da wir gerade in der Schweiz hohe Ansprüche an die Beweise und deren Erhebung haben und bei nicht eindeutiger Beweislage und/ oder der Möglichkeit eines anderen Tatgeschehens, die Gerichte dem Grundsatz «in dubio pro reo» (im Zweifel für den Angeklagten) folgend die beschuldigten Personen freisprechen, sind Fehlverurteilungen in der Schweiz zum Glück sehr selten.
Für mich wesentlich ist, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nicht um jeden Preis eine Verurteilung erreichen möchten, sondern dass es nur eine Verurteilung geben soll, wenn die Akten- und Beweislage bei objektiver Betrachtung keinen anderen Schluss wie einen Schuldspruch zulassen. Erfolg ist für uns entsprechend, wenn man sich sicher ist, dass Verfahren zeit- und sachgerecht untersucht und zu einem Abschluss gebracht zu haben, hinter dem man inhaltlich stehen kann.