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Strafverfolgung über die Landesgrenzen hinaus
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft ist immer wieder mit Fällen konfrontiert, bei denen Beweiserhebungen im Ausland notwendig sind. Aber auch ausländische Staaten benötigen regelmässig die Hilfe der Schweizer Staatsanwaltschaften bei der Untersuchung ihrer Fälle. Für genau diese Rechtshilfeersuchen ist unsere Fachstelle internationale Rechtshilfe zuständig. Im Interview erklärt Eszter Tréfás, Staatsanwältin und Leiterin der Fachstelle, was passive internationale Rechtshilfe ist, wie gut sie die Gesetzgebung anderer Länder kennen muss und weshalb es in ihrem Job von Vorteil sein kann, mehr als eine Landessprache zu beherrschen.von Eszter Tréfás, Staatsanwältin, Leiterin Fachstelle internationale Rechtshilfe, und Marilena Baiatu, Kommunikationsbeauftragte
Eszter, du leitest die Fachstelle internationale Rechtshilfe bei der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft. Weshalb hat die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft diese Fachstelle eingerichtet?
Unsere Fachstelle wurde im Rahmen der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) geschaffen, die am 1. Januar 2011 in Kraft trat. Vorher gelangten internationale Rechtshilfeersuchen unter anderem an das damalige Verfahrensgericht, welches über die Zulässigkeit der Rechtshilfeleistung entschied. Artikel 55 der heutigen Strafprozessordnung besagt, dass Ersuchen um internationale Rechtshilfe in Strafsachen von den Staatsanwaltschaften bearbeitet werden. Somit musste damals schweizweit jede Staatsanwaltschaft die Bearbeitung dieser Ersuchen sicherstellen. Mit der neuen StPO wurde auch die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft in ihrer heutigen Form geschaffen. Ich wurde damals neu Staatsanwältin und mit dem Aufbau der Fachstelle internationale Rechtshilfe betraut. Wir sind eine relativ kleine Fachstelle, aktuell umfasst sie ausser mir eine Untersuchungsbeauftragte und bei Bedarf kommt die Unterstützung weiterer Untersuchungsbeauftragter hinzu.
Was ist euer Aufgabengebiet?
Unsere Fachstelle kümmert sich um die passive internationale Rechtshilfe. Das bedeutet, dass wir Fälle –grundsätzlich mit Bezug zum Kanton Basel-Landschaft – bearbeiten, in denen die Schweiz von einem ausländischen Staat um Rechtshilfe in Strafsachen ersucht wird. Was uns etwas speziell macht, ist, dass unsere Aufsichtsbehörde das Bundesamt für Justiz ist. Organisatorisch sind wir also Teil der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, aber fachlich ist das Bundesamt für Justiz für uns zuständig. Das Bundesamt für Justiz wacht über die richtige Anwendung der Rechtshilfegesetzgebung in der Schweiz und über die Einhaltung des Beschleunigungsgebots.
Was ist der Unterschied zwischen aktiver und passiver internationaler Rechtshilfe?
Von aktiver internationaler Rechtshilfe spricht man, wenn Fälle aus der Schweiz Verfahrenshandlungen im Ausland benötigen und man den entsprechenden Staat um Rechtshilfe ersucht. Aktiv bedeutet also, dass ich selbst das Rechtshilfeersuchen schreibe. Das macht bei uns jede Staatsanwältin, jeder Staatsanwalt und jede/r Untersuchungsbeauftragte in den eigenen Fällen selbst. Da wir aber fundierte Kenntnisse der internationalen Zusammenarbeit haben, leisten wir bei Bedarf den Fachsupport.
In der passiven internationalen Rechtshilfe sind wir hingegen operativ tätig, das ist unser Kerngeschäft. In diesen Fällen benötigt ein ausländischer Staat Verfahrenshandlungen in der Schweiz, stellt folglich ein Rechtshilfeersuchen und wir bearbeiten dieses. Passiv bedeutet also, dass wir die Rechtshilfeersuchen aus dem Ausland erhalten. Wann diese kommen, können wir nicht beeinflussen. Was sich aber zeigt, ist, dass die Anzahl eingehender Rechtshilfeersuchen stetig zunimmt. Dieses Jahr haben wir beispielsweise, Stand heute, 177 Rechtshilfeersuchen inklusive Strafübernahmeersuchen und Zustellungsersuchen erhalten. Nicht alle Fälle sind gleich umfangreich, aber es zeigt sich eine Tendenz, dass die Rechtshilfeersuchen nicht nur an der Zahl zunehmen, sondern sich auch in ihrer Komplexität steigern.
Welche «Art» von Fällen behandelt ihr?
Wir bearbeiten Fälle aus beinahe allen Deliktsfeldern, das macht unsere Arbeit auch sehr spannend. Die Bandbreite erstreckt sich von Anfragen um Rechtshilfe bei Parkschäden im Grenzgebiet, über allgemeine Delikte, wie z.B. Vernachlässigung von Unterhaltspflichten, Diebstahl, Betrug etc. bis hin zu Sexualdelikten oder unaufgeklärten Tötungsdelikten im Ausland, sogenannten «Cold Cases», aber auch zu aktuellen Tötungsdelikten. Besonders interessant sind für mich Fälle im Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und des Staatsschutzes. Grundsätzlich fallen Staatsschutzdelikte zwar in Bundeskompetenz, das Bundesamt für Justiz hat aber die Möglichkeit – wenn es das für angemessen hält – solche Fälle auch an einen Kanton zu delegieren. Auch diese Fälle sind sehr spannend.
Welche sprachlichen Voraussetzungen muss man als Staatsanwältin mitbringen, um in der Rechtshilfe arbeiten zu können? Du sprichst beispielsweise über sechs Sprachen, was sicher hilfreich ist.
Tatsächlich ist die Kenntnis von so vielen Sprachen keine Voraussetzung. Aber man muss zumindest unsere Landessprachen beherrschen. Der Kanton Basel-Landschaft ist deutschsprachig, daher ist bei uns die Verfahrenssprache Deutsch. Aber die Schweiz nimmt Rechtshilfeersuchen in allen Landessprachen an, das heisst, wir erhalten die Rechtshilfeersuchen auch als französische oder italienische Übersetzungen und haben keinen Anspruch auf eine deutsche Übersetzung. Oft müssen wir auch mit den ersuchenden Behörden Kontakt aufnehmen, wenn wir Ergänzungen zu den Rechtshilfeersuchen benötigen, da wir sonst nicht auf sie eintreten können. Hier ist es definitiv von Vorteil, wenn man sich mit französischen, italienischen oder anderen Behörden telefonisch verständigen kann. Bei uns im Team haben wir den grossen Vorteil, dass wir auch Spanisch und Ungarisch auf Niveau Muttersprache abdecken. Das ist auf jeden Fall hilfreich.
Und wie sieht es fachlich aus? Die Bandbreite an Fällen, die ihr bearbeitet, ist riesig.
Obwohl wir das ganze Spektrum an Fällen bearbeiten, brauchen wir keine Spezialkenntnisse von allen Bereichen. Das wäre auch gar nicht möglich. Wir müssen Spezialkenntnisse in der Rechtshilfe haben und wissen, wie man ein Rechtshilfeersuchen behandelt und ein Rechtshilfeverfahren in all seiner Komplexität führt. Was man aber tatsächlich braucht, ist ein gutes Gespür für internationale Zusammenhänge. Das ist sicher eine Voraussetzung. Und man braucht Fingerspitzengefühl und ein Gespür für Diplomatie. Man muss wissen, wie man sich in bestimmten Situationen und mit bestimmten Akteuren verhält.
Arbeitet ihr nur mit gewissen Ländern zusammen oder seid ihr sozusagen weltweit tätig?
Ja, wir sind grundsätzlich weltweit tätig. Die Rechtshilfeersuchen kommen aus allen möglichen Ländern, beispielsweise auch aus Panama, Brasilien oder Georgien. Eine Ausnahme sind die USA, für welche das Bundesamt für Justiz zuständig ist. Am häufigsten haben wir mit den Schengen-Staaten zu tun. Da wir uns im Grenzgebiet befinden, arbeiten wir sehr viel mit Deutschland und Frankreich zusammen, was sehr gut und effizient funktioniert. Hier kennen wir unsere Ansprechpartner oft auch persönlich, was uns die Arbeit erleichtert. Wir erhalten auch aus osteuropäischen Staaten viele Rechtshilfeersuchen. Auch hier funktioniert die Zusammenarbeit wirklich gut.
Und wie gehst du vor, wenn sich in einem Fall das ausländische Recht und das Schweizer Recht unterscheiden?
Eine Grundvoraussetzung jeder Rechtshilfeleistung ist die beidseitige Strafbarkeit. Wir arbeiten mit dem Sachverhalt. Der Sachverhalt muss einen Tatbestand umschreiben, der auch bei uns strafbar ist. Die Bezeichnungen der Tatbestände können sich selbstverständlich unterscheiden, die im Sachverhalt umschriebene Tathandlung an sich muss aber auch bei uns strafbar sein. Das ist eine Grundvoraussetzung, ist diese nicht erfüllt, können wir nicht auf das Ersuchen eintreten.
Ihr habt auch mit dem Recht anderer Länder zu tun. Kennst du entsprechend auch deren Gesetze sowie die Unterschiede zum Schweizer Recht?
Diese Frage begegnet uns immer wieder. Die UNO hat momentan 193 Mitgliedstaaten, wenn man nur die anerkannten Staaten zählt. Alle Gesetzgebungen zu kennen, das ist schlicht unmöglich. Schliesslich müssen wir auch bei unseren eigenen Gesetzen und unserer eigenen Rechtsprechung alle Anpassungen mitverfolgen. Aus unserer Erfahrung kennen wir sicher gewisse Aspekte des Rechts anderer Staaten. Aber wir müssen ganz klar nicht das ausländische Recht und deren Anwendung kennen, dies anzunehmen ist also ein Irrtum. Der Vollzug eines internationalen Rechtshilfeersuchens findet gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung statt, wobei wir das ganze Instrumentarium nutzen dürfen, das uns zur Verfügung steht.
Welchen Herausforderungen stellst du dich in deiner Arbeit?
Die internationale Rechtshilfe ist ein komplexes Rechtsgebiet. Bei unserer Arbeit müssen wir uns immer bewusst sein, dass wir sozusagen als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft im Ausland arbeiten. Wir erbringen unsere Dienstleistung folglich an das Ausland. Es ist unser Anspruch, dass wir jeden Fall genauso bearbeiten, lösen und erledigen als wäre es unser eigenes Strafverfahren. Das ist das, was uns ausmacht. Daneben merken wir auch, dass die Komplexität zunimmt. Es werden oft auch Rechtshilfeersuchen gestellt, bei denen mehrere Staaten involviert sind. Die Koordination mit den mitbetroffenen Staaten kann auch eine Herausforderung darstellen.
Abschliessend: Weshalb hast du die Rechtshilfe als Fachgebiet gewählt?
Ich habe mich immer für internationale Belange interessiert. Das mag etwas abgedroschen klingen, aber es macht mich aus. Ich verfolge das Weltgeschehen. Ich weiss viel über verschiedene Länder und habe selbst auch einen internationalen Hintergrund. Das ist sicher das, was mich zur internationalen Rechtshilfe zog. Denn hier hat man mit der ganzen Welt zu tun. Und wir leisten einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung der Schweiz im Ausland. Meine andere Leidenschaft ist die Strafverfolgung. Bei meinem Job kann ich diese zwei Aspekte in Einklang bringen, daher ist die internationale Rechtshilfe genau richtig für mich.