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Von Paradiesvögeln, Buntspechten und anderen komischen Käuzen
Die neue Sonderausstellung «Auf der Suche nach dem Paradiesvogel» im Museum.BL führt Besuchende auf einen verzweigten Rundgang durch die hauseigene Sammlung an Vögeln aus aller Welt und öffnet die Augen für die Vogelwelt vor unserer eigenen Haustür.
«An Klingi go friere.» Das war bei uns daheim der Code dafür, frühmorgens am Sonntag an den Klingnauer Stausee zu fahren und Vögel zu beobachten. Wir Kinder wurden warm eingepackt, die Eltern bereiteten neben Feldstechern, Fernrohr und Bestimmungsbuch auch den Proviant vor: Thermoskanne, Plastikbecher, Sandwiches, Petit Beurre und Schokolade. Ich erinnere mich an einen Mergelweg, dunkel gebeizte Beobachtungstürme, Schilfrohr, den aufgeklappten Faltstuhl, das schwere Holzstativ auf den Schultern meines Vaters, das flackernde Bild im Fernrohr. Wie wackelig die Versuche, mit dem eigenen kleinen Feldstecher einen Vogel in den Lichtkreis zu kriegen und ihn darin auch zu halten. Und ich erinnere mich an die verschmitzte Freude in den Augen meines Vaters, wenn der Vogel richtig benannt wurde. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der sie allgegenwärtig war, die Liebe zu den gefiederten Wesen. Und trotz sehr viel Zeit und Geduld ist diese Passion meines Vaters auf keines der Familienmitglieder übergangen. Durch eine glückliche Fügung bin ich aber als Historiker und Zeichner zum Mitarbeiter der Ausstellung «Auf der Suche nach dem Paradiesvogel» geworden. Diese ist bis zum 18. August 2024 im Museum.BL zu sehen.
Anlass der Ausstellung ist die eigene Sammlung an Vögeln aus aller Welt. Denn Archäologie und Museum Baselland beherbergen weit unter der Muttenzer Erdoberfläche gegen Tausend präparierte Vögel. An ihren Füssen baumeln vergilbte Etiketten, beschriftet in gleichmässig geschwungener Handschrift. Lateinische Namen stehen neben deutschen, hie und da eine Ortsangabe wie «Brasilien» oder «Himalaya». Die überwiegende Mehrheit stammt aus dem 19. Jahrhundert, so viel wissen wir. Wer die Vögel aber gesammelt hat und unter welchen Umständen sie in das «Naturaliencabinett» des jungen Halbkantons aufgenommen wurden, lässt sich nicht sagen. Heute werden nur noch einheimische Lebewesen gesammelt.
Rund 80 Präparate wurden für die Ausstellung aufgefrischt. Unter diesen Vögeln ist auch ein Grosser Paradiesvogel, ein Tier mit sagenumwobener Geschichte. Von der soll hier nur so viel verraten sein, dass sich über Jahrhunderte wider besseres Wissen das Gerücht hielt, Paradiesvögel hätten keine Beine, würden deshalb niemals landen und gar in akrobatischer Manier paarweise fliegend ihre Eier ausbrüten. Diese Vorstellung mündete gar in den bis heute gültigen wissenschaftlichen Namen «Paradisaea apoda» – fussloser Paradiesvogel. Woher diese Idee stammt, erfahren Neugierige in der Ausstellung neben allerhand weiteren wundersamen Vogelgeschichten.
Während meine vogelbeobachtende Familie in den 90er-Jahren noch für eine Ansammlung komischer Käuze gehalten wurde, ist diese Freizeitbeschäftigung längst ein verbreitetes Hobby geworden. «Birden» sagt man heute. Wer erste Schritte darin unternehmen will, wird in der Ausstellung an die Hand genommen, sich mit Feldstecher und Vogelstimmen vertraut zu machen. Dabei gilt es, nicht nur die Vogelwelt aus Übersee, sondern auch jene vor den eigenen Fenstern (und jenen des Museums) zu entdecken. Neben klassischen Führungen bietet eine für Kinder und Familien gestaltete Theaterführung die Möglichkeit, von einem Buntspecht durch die Räume geleitet zu werden und spielerisch neue Vogelperspektiven einzunehmen. Besuchende erhalten beim Eintritt Beobachtungsheft und Bleistift. Damit ausgestattet geht es auf die Suche nach allerhand Merkmalen. Zeichnen hilft und genaues Hinsehen. Und zu sehen gibt es vieles! Szenografin Caroline Schmidt hat ein luftiges Labyrinth entworfen, das die Ausstellung in fünf Lebensräume teilt. In jedem Habitat liegt das Augenmerk auf einem anderen Körperteil. Warum ist der Schnabel des Austernfischers so schlank und spitz? Wie gross ist das Ei des Kiwis? Weshalb sind die Schwanzfedern des Quetzals so lang?
Fünf Forschungspersönlichkeiten aus dem 19. Jahrhundert geben nicht nur Tipps fürs Zeichnen, sondern auch Einblick in ihre eigenen Vogelbücher. Unter ihnen ist Elizabeth Gould, die einige der lebendigsten Vogelbilder ihrer Zeit geschaffen hat: Unter anderem stammen die bedeutenden Bilder von Darwins berühmten Galapagos-Finken aus ihrer Hand. Dennoch stand sie im Schatten ihres prominenten Ehemannes John Gould, der sich selbst gerne als «Birdman» inszenierte. Erst die Entdeckung ihrer Tagebücher und Briefe liess ihre Rolle in neuem Licht erscheinen.
Mein Verhältnis zu den wundersamen gefiederten Lebewesen hat sich verändert, während ich über ein Jahr diese Ausstellung mitvorbereitete. Heute nehme ich Vögel nicht nur wahr, wie sie auf einem hohen Ast singen, mit den Flügeln rüttelnd in der Luft stehen oder schnatternd ihre Küken zusammenhalten, nein, ich halte regelrecht Ausschau nach ihnen. Und das hat meinen Alltag reicher gemacht.
Text: Lukas Künzli, wissenschaftlicher Mitarbeiter Ausstellung «Paradiesvogel» (Fotos: Georgios Kefalas, Museum.BL

Sagenumwobener Paradiesvogel

Illustratorin Elizabeth Gould im Fokus

Paradiesvogel (Foto: Tim Laman)