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Domstrasse 4
Das Domplatzschulhaus befindet sich am südwestlichen Rand des Ortskernes von Arlesheim, an der Verbindungsstrasse nach Oberdornach. Der am 15. August 1914 feierlich eingeweihte Bau gehört zu den architekturhistorisch bedeutendsten Schulhausbauten in unserem Kanton.
Mit der Bezeichnung des Schulhauses wird die Zugehörigkeit zum eigentlichen Dombezirk festgehalten, ein städtebaulich und historisch bedeutsamer Bereich des Arlesheimer Ortskerns.
Der Schulbetrieb wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Räumlichkeiten des Domherrenhauses, Domplatz 8, abgehalten. Für den geplanten Neubau war der damalige Schulgarten vorgesehen, am südwestlichen Ende des Domplatzes gelegen. Der mit dem städtebaulichen Standort verbundene Qualitätsanspruch an die Setzung und Gliederung des Baukubus zwischen Dombezirk und Villenquartier war den damalig Verantwortlichen bewusst. Die Gemeinde Arlesheim hatte deshalb einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben, für den 73 Entwürfe eingingen. Der Basler Architekt Hans Bernoulli erhielt den ersten Preis. Ausgeführt wurde jedoch nach einer Überarbeitung der zweitplatzierte Entwurf „so wie so“ von Architekt Erwin Rudolf Heman aus Basel.
Das Preisgericht beurteilte das Projekt von Heman wie folgt: „Erfreuliche Gesamtdisposition mit guter Orientierung des Schulgebäudes und der Eingänge. Knappe und klare Grundrissanlage, bei welcher allerdings die fast quadratischen Eckklassen im Flügel nicht befriedigen. Der im allgemeinen hübsch gruppierte und der Umgebung wohl angepasste Aufbau dürfte durch Vereinfachung, namentlich der Dachpartien, wesentlich gewinnen. Ein Zurückhalten scheint im Interesse des Domplatzes durchaus geboten.“
Warum das zweitplatzierte Projekt zur Ausführung kam, obwohl das Preisgericht das erstrangierte „ausdrücklich und mit Ueberzeugung“ empfahl, war eine Folge der Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge, die im Dorf intensiv diskutiert wurden. Dabei ging es nicht um die Kosten, sondern vielmehr um die Frage, welches Projekt sich am besten in die historisch bedeutsame Umgebung des Domplatzes einfüge. Dem Projekt Bernoulli wurde vorgeworfen, es sei «zu einfach», dem Projekt Heman, es sei «zu kokett». Die verschnörkelte Form des Projekts Heman würde den Dom konkurrenzieren, argumentierten die einen, während die anderen meinten, das Projekt Bernoulli sei eine zu einfache Kopie der Domherrenhäuser und würde sich so zu stark unterordnen, statt selbstbewusst aufzutreten.
Es brauchte drei Gemeindeversammlungen, bis ein Entscheid gefällt wurde. Der Gemeinderat und die Schulpflege sprachen sich für das Projekt Heman aus, das Preisgericht und die Lehrerschaft für das Projekt Bernoulli. An der Versammlung vom 20. Oktober 1912 entschied sich die Gemeinde in geheimer Abstimmung mit 99 gegen 59 Stimmen für die Ausführung des Projektes Heman.
Erwin Rudolf Heman (1876 – 1942) machte eine Lehre bei La Roche & Stähelin in Basel und studierte anschliessend an der TU München bei Friederich von Thiersch. Seit 1903 betrieb er ein eigenes Büro in der Stadt und baute zahlreiche Einfamilienhäuser in der Agglomeration Basel. Sein Werk besticht vor allem durch die sorgfältig gesetzten Baukörper und eine differenzierte, dem damaligen Zeitstil verpflichtete Fassadengestaltung. Bis heute hat sich in Basel der Bau des Arbeitsamtes von 1931 an der Utengasse erhalten, neben dem Domplatzschulhaus der zweite öffentliche Bau in seinem Werk.
Das Domplatzschulhaus wurde 1914 fertiggestellt, aber erst 1915 von den Arlesheimer Schulen bezogen. Zunächst wurden zu Beginn des Ersten Weltkrieges im Neubau Grenzschutzsoldaten einquartiert. Eine steinerne Tafel an der Nordfassade des Schulhauses erinnert daran.
Das breitgelagerte dreigeschossige Schulhaus ist mit seinem Haupteingang gegen Nordwesten, das heisst auf das Dorf hin, orientiert. Der Baukörper gliedert sich in einen Mitteltrakt, der beidseitig von zwei unterschiedlich ausgebildeten Eckrisaliten eingefasst wird. Der mächtigere, südwestliche Risalit, in den Ecken abgestützt mit geschosshohen Eckpfeilern verkleidet mit grob behauenen Steinquadern, wird von einem Mansardendach mit glockenförmig geschwungener Linie bekrönt. Auf dem höchsten Punkt ist eine stilisierte Blumenvase aus Weissblech aufgesetzt. Der Risalit auf der Nordostseite besitzt ein Satteldach, dessen Giebel auf der Schmalseite mit einer steinernen Blumenvase ausgezeichnet werden. Zusätzlich sind die Schenkel der Giebel mit Voluten und Blumenvasen dekoriert. Auf der Giebelfläche, oberhalb des rundbogigen Fensters, befindet sich ein mit Blumengirlanden eingerahmtes Medaillon, auf dem das Wappen der Gemeinde mit der Jahreszahl 1913 angebracht ist.
Die gegen Nordwesten gerichtete Strassenfassade wird durchbrochen vom halbrunden Treppenhaus sowie von den beiden den Mittelbau einfassenden Toilettentürmen mit geschweiften Helmdächern. Die Dächer des Treppenhauses wie der beiden Toilettentürme sind mit gefalzten Blechfeldern gedeckt, die übrigen Dachflächen mit Ziegeln. Dem Eingang vorgelagert ist eine Vorhalle mit Rundbogenarkaden. Über der Mittelarkade befindet sich die Steinplastik "Lesender Schüler" von August Heer (1867 – 1922), Bildhauer aus Arlesheim.
Das Gebäude ist aus armiertem Beton erbaut. Der Gebäudesockel wird mit grob behauenen Steinquadern ausgezeichnet, die Fassadenflächen sind mit einem grosskörnigen Kieselputz in mergelbraunem Farbton versehen. Die Dekorationen wie auch die Gewände sind aus Kunststein in einem warmen Braunton gefertigt und von hoher kunsthandwerklicher Qualität. Die Gewände sind scharriert und der Kieselputz ist sehr regelmässig aufgetragen. Die halbrunden Fenster des Kellergeschosses sind mit Ziergittern verschlossen.
Auf den rückwärtigen Schulhausplatz ausgerichtet befindet sich der zweite Gebäudeeingang, dessen Gewände beidseitig mit Kassetten und mit einer stilisierten Blumenvase auf einem Podest ausgezeichnet werden. Die Türen sind in den 1970er Jahren durch eine Glas-Metallkonstruktion ersetzt worden.
Der Schulhausplatz wird durch einen Laubengang, der rechtwinklig vom Schulhaus abgeht, in zwei Bereiche aufgeteilt, in den „kleinen“ und in den „grossen Hof“. Im „kleinen Hof“ befand sich ursprünglich der Brunnen, der später auf die Südostseite des grossen Hofes versetzt wurde. Der kreisförmige Brunnentrog umfasst den mittigen Brunnenstock mit vier Ausspeiern, dekoriert mit Girlanden aus Früchten.
Der Laubengang mit Giebeldach und Bogenarkaden verbindet den gegenüberliegenden Gebäudekomplex, bestehend aus der Turnhalle und einem Spritzenhaus mit Abwartswohnung. Letzeres ist ebenfalls nach Plänen von Architekt Heman gleichzeitig mit dem Schulhaus erbaut worden.
Der auf den Dornachweg ausgerichtete Haupteingang, ausgezeichnet durch eine Vorhalle, wird von einer zweiflügligen Eichentüre mit Füllungen und Ziergläsern geschlossen. Die Türe wird beidseitig von eingestellten Säulen mit Volutenkapitellen eingerahmt. Über einen Windfang, der wiederum mit einer zweiflügligen Pendeltüre geschlossen wird, gelangt man ins geräumige Treppenhaus aus Betonguss, dessen Stufen sorgfältig gestockt sind. Das Treppenhaus führt bis zum Dachgeschoss und ist gegen die Strasse hin verglast. Ein Glasgemälde von Anna Verena de Nève-Stöcklin (*1930) aus Stans von 1965 schmückt das Treppenhaus zwischen dem ersten und zweiten Geschoss. Es stellt die Szene von Lot mit seiner Frau vor dem Hintergrund der brennenden Stadt Sodom dar. Die Deckenpartien über den Treppenpodesten sind mit stilisierten Stuckaturen ausgezeichnet.
Der Fussboden in den breiten Gängen ist mit sechseckigen, beigen Bodenkacheln belegt, die Wände mit einer Stoffbespannung geschützt. Im Erdgeschoss sind auf der linken Seite des Ganges vier Säulen mit Kapitellen dorischer Ordnung eingestellt, deren Schäfte kanneliiert sind. Sie fassen heute einen Wandbrunnen mit einer halbrunden, ebenfalls kannelierten Brunnenschale ein. Ursprünglich öffnete sich hier der Gang zu einer kleinen Halle für den Aufenthalt der Schüler bei Regenwetter.
Das Raumprogramm umfasste in den beiden ersten Geschossen elf Klassenzimmer, welche gegen Südosten gerichtet über einen breiten Längsgang erschlossen sind. Auffällig ist die grosszügige Befensterung der Klassenräume, gerade in den Eckrisaliten. Das Lehrerzimmer und ein grosser, ungeteilter Saal befanden sich im Erdgeschoss, im ersten Obergeschoss war zusätzlich noch eine Bibliothek untergebracht. Toiletten nach Geschlechtern getrennt befinden sich auf jedem Stockwerk. Das zweite Obergeschoss unter dem Dach ist allseitig mit einzelnen Dachaufbauten belichtet und war ursprünglich nicht ausgebaut, d.h. hier waren, durch einfache Holzlattenwände abgetrennt, Archiv- und Abstellräume untergebracht.
Im Souterrain befanden sich Zimmer für den Handarbeitsunterricht, Kellerräume, ein Baderaum mit Ankleide sowie die Schulküche mit Spülraum und Gemüserüsterei.
Das Schulhaus hat im Laufe der Jahre verschiedene bauliche Anpassungen an einen modernen Schulbetrieb erfahren. So sind u.a. die Fenster ersetzt, der Dachstock ausgebaut und einige Zimmer eingebaut worden. Diese Massnahmen sind unter Respektierung der schutzwürdigen Substanz erfolgt und beeinträchtigen die architektonische Qualität und Bedeutung der Baute kaum.
Das Domplatzschulhaus reagiert mit seinen unterschiedlichen Baukörpern auf die komplexe, ortsbauliche Situation. Diverse Dekorationselemente wie die Voluten an den Giebeln des nordöstlichen Risaliten sowie die Giebelfelder der Dachfenster greifen Dekorationselemente der Fassade der Domkirche in unmittelbarer Nähe auf. Der südwestliche Risalit mit beinahe quadratischem Grundriss markiert den Dorfeingang gegen Oberdornach. Der geschwungene Dachverlauf erinnert an die Dachformen des Hofgutes sowie der Renggersmatt.
Mit dieser differenzierten Einpassung in das bestehende Ortsbild, mit der Verwendung der lokal verankerten Materialien und Farben und mit der handwerklich sorgfältigen Ausführung erfüllt der Architekt Heman die Forderungen an die damalige Architektur.
Die selbstverständliche Grösse des Baus, die vorbildliche Integration ins Ortsbild sowie die ausserordentlich hohe Qualität von Gestaltung und Ausführung unterstreichen die hohe architekturgeschichtliche und kulturelle Bedeutung des Gebäudes. Das Domplatzschulhaus ist somit ein wertvoller historischer Zeuge mit einem herausragenden Denkmalwert.
Kantonal geschützt seit 2016.