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Baselstrasse 20, Birsbrücken bei der Cementfabrik
Die Industrielandschaft des Laufentals ist geprägt von der Stein- und Lehmverarbeitung sowie von der Papierherstellung. Dabei hatte sich die Baustoffindustrie, vornehmlich die Ziegel- und Backsteinproduktion und die Herstellung von Kalk, Zement und Gips seit Beginn der Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich in den Gemeinden Laufen und Liesberg angesiedelt. Mit dem industriellen Abbau der reichen Kalkstein- und Mergelvorkommen in Liesberg begann kurz nach der Eröffnung der Juralinie im Jahre 1875. In der Folgezeit war Liesberg ein bedeutendes Zentrum der Zementindustrie bis zur Schliessung des letzten Betriebes im Jahre 1982. Zurückgeblieben ist eine beeindruckende Industrielandschaft, deren einzelne Werkgebäude heute unterschiedlichen Nutzungen dienen. Als Werbung in eigener Sache haben über Jahrzehnte die jeweils zuständigen Direktionen bedeutende Ingenieure und Architekten mit einzelnen Bauaufgaben betraut. So den Berner Robert Maillart, Pionier im Brückenbau mit internationalem Ruhm, den heutigen Hochschulprofessor Heinz Hossdorf und den Laufener Architekten Alban Gerster und A. Magg, welcher sich für die Betonplastik verantwortlich zeichnet. So sind auf dem Betriebsareal vergleichbar mit einem "Freiluftmuseum" bis heute Exponate der wegweisenden Ingenieurkunst erhalten. Beispielhaft in ihrer technikgeschichtlichen Aussagekraft sind die drei Birsbrücken aus den Jahren 1908, 1935 und 1963.
Fussgängerbrücke aus Eisen aus dem Jahre 1908
Die kleine Fachwerkbrücke verbindet die beiden Birsufer südlich des Transformatorengebäudes. Sie zählt zum Typus der einfachen Balkenbrücken mit untenliegendem Gehweg und liegt ohne Zwischenstützen auf den steinernen Widerlagern an den Uferböschungen. Als zusätzliches Tragsystem dient ein sogenanntes Sprengwerk mit kräftigen Bügen (schrägen Streben) und einem diagonalen Spannelement aus Rundstäben zur Aufnahme der Zugkräfte. Der Gehweg besteht aus einem Bretterbelag. Die als Brüstung dienenden Hauptträgerwandungen bilden ein relativ engmaschiges Kreuzstrebenfachwerk, das aus zwei sich kreuzenden Scharen von Flach- und Winkeleisen besteht.
Die eigentliche Brückenbahn ist rund 27 m lang und 3 m breit und liegt auf einem speziellen Träger in der Mittelachse, ca. 50 cm über dem Untergurt der beiden Hauptträger. Seitlich liegen die Holzbretter auf entlang den Hauptträgern mitgeführten Winkeleisen. Auffallend sind die in regelmässigen Abständen von knapp 3,4 m angebrachten, bis zum Obergurt reichenden Eckaussteifungen aus Flacheisen. Sie befinden sich jeweils über den Querträgern und verringern die nutzbare Weite der Brückenbahn um beträchtliche 1,2 m. Die dem Holzbrückenbau entlehnte, Sprengwerkartige Tragkonstruktion ermöglichte einen äusserst feingliederigen Aufbau der Hauptträger. Die ganze Brückenkonstruktion basiert auf einfachen Elementen wie schmalen Flach-, Winkel- und U-Eisen, die an ihren Verbindungsstellen vernietet sind.
Der eiserne Fussgängersteg steht am Anfang der Entwicklungsreihe und erlaubt als Nachkomme der frühindustriellen Phase des 19. Jahrhunderts einen Blick zurück auf die Epoche der eisernen Fachwerkbrücken, von denen wenige hundert Meter flussabwärts auch eine robuste Variante für die Eisenbahnlinie überleben konnte. Gleichsam mit der Flusslandschaft verwachsen, prägt sie nicht nur das ländliche Idyll, sondern bietet sich an als aufschlussreiches Anschauungsobjekt für die Konstruktionsweise des aus elementaren Formen zusammengefügten eisernen Tragwerks.
Eisenbahnbrücke von Robert Maillart aus dem Jahre 1935
Die kleine, einspurige Eisenbahnbrücke über die Birs ist Teil des Gleisanschlusses der Zementfabrik an die 4 m oberhalb des Hochwassers liegende SBB Bahnlinie und wurde 1935 beim Neubau der Klinkeranlage am linken Birsufer errichtet. Sie ist schief gelagert, d.h., sie überquert die Birs in einer Diagonalen von ca. 45° zur Flussachse und ist für Eisenbahnlasten konzipiert, die sehr viel grösser sind als diejenigen von Strassenbrücken. Maillart wählte für diese Vorgaben den Typ der Balkenbrücke, deren konstruktives System aus zwei vollwandigen, 1,4 m hohen und 43 m langen Durchlaufträgern besteht sowie aus Querträgern, die eine Fahrbahntafel tragen. Die Eisenbahnschienen liegen nicht auf einem Schotterbett, sondern sind einbetoniert. Diese Lösung war zum einen ökonomischer, zum anderen reduzierte sie die Vibrationen beim Traversieren des Zuges. Auffallend sind die vier im Verhältnis zum optisch schwer lagernden Brückenkörper extrem schlanken Stützen mit quadratischen Querschnitten, die sich in gerundeten, weit auslaufenden Übergängen, sogenannten Vouten, mit den Trägern verbinden.
"Was man am fertigen Bau nicht mehr sieht, ist Maillarts ingeniöse Konstruktionsidee. Er liess die Enden der Brücke bis zur Fertigstellung des gesamten Tragwerks frei auskragen. Das bedeutete, dass sich die Aussenfelder unter ihrem Eigengewicht durchbogen und somit eine Absenkung der mittleren Spannweite verhinderten. Das Resultat war, dass sich trotz der ständigen Lasten in der Mitte des Hauptfeldes kaum Durchbiegungen ergaben. Als sich die erwarteten Verformungen in den Aussenfeldern eingestellt hatten, liess Maillart die Endauflager ausführen und stellte dem Tragwerk somit seine endgültige Abstützung zur Verfügung. Das einzig sichtbare Resultat ist die relative Schlankheit des Brückenträgers im Mittelfeld." (Billington 1990, S. 95, Zitat!)
Die Eisenbahnbrücke von Robert Maillart steht für den revolutionären Wandel, den der Beton im Zeitalter der klassischen Moderne auch für den Brückenbau brachte. Erste Betonbrücken gab es zwar schon Ende des 19. Jahrhunderts, sie richteten sich aber immer nach dem statischen Prinzip von Steinbrücken und waren meistens auch durch eine entsprechende Verkleidung als solche vorgetäuscht worden. Erst durch die Erforschung der Materialeigenschaft von Beton gelangte man zu spezifischen, neuartigen Formen, die eine Steinverkleidung hinfällig machten. Robert Maillart war ein Pionier auf diesem Gebiet. Die Eisenbahnbrücke in Liesberg, deren Bedeutung die Fachliteratur mit der "radikalen Veränderung des bisher angewandten Konstruktionsprinzips" umschreibt, markiert den Anfang von Maillarts Beschäftigung mit Balkenbrücken aus Beton. Unter dem gestalterischen Aspekt stellt sie eine Suche nach jener formvollendeten Eleganz dar, die er vier Jahre später mit dem Projekt der Rhonebrücke bei Peney, dem unverwirklichten Meisterstück seiner Balkenbrücken, erreichen sollte.
Spannbetonbrücke von Heinz Hossdorf aus dem Jahre 1963
In den Jahren 1961 - 1963 entstanden auf dem Areal der Zementfabrik Liesberg zwei Brücken über die Birs aus Spannbeton von Ingenieur Heinz Hossdorf. Die Brücke aus dem Jahre 1963 ist 30 m lang und hat eine Fahrbahnbreite von 6 m. Die Fahrbahnplatten werden beidseitig von unterschiedlichen Metallbrüstungen gesäumt: ein Geländer von eng aneinandergereihten Vertikalstäben. Die Brücke führt einseitig ein Fussgängertrottoir mit. Sie zeigt folgendes Konstruktionsprinzip: eine dünne, im Scheitel nur 30 cm starke Fahrbahnplatte liegt auf den Widerlagern der Uferböschungen und wird zusätzlich von zwei schrägen Scheiben, die sich zum Boden hin verjüngen, abgestützt. Besonders subtil gelöst ist die organische Verbindung von Fahrbahnplatte und Stützen, die weniger den Eindruck des Gefügten als des Gewachsenen erwecken - eine Qualität des Betons, mit der bekanntlich schon Maillart gespielt hat. In der eleganten Durchbildung der dünnwandigen Scheiben, die sich dank der Vorspannung statisch wie Bogen verhalten, klingt noch die Dynamik Maillart'scher Brücken nach, denen gegenüber jedoch die Liesberger Nachfahren an Material nochmals deutlich "abgespeckt" haben.
Voraussetzung für die offensichtliche Materialreduktion bei Betonbrücken war die in den 40er Jahren entwickelte Vorspanntechnik. Sie brachte den Betonbau in eine neue Phase. Vorgespannt wird, kurz erklärt, mittels gebündelten Drahtkabeln, die in die Fahrbahnplatte einbetoniert, nach Erhärten des Betons gespannt und an den Widerlagern verankert werden. Die damit verbundene Idee ist die Erzeugung einer Eigenspannung innerhalb einer Konstruktion mit dem Ziel, deren Verformung bei der Einwirkung von Kräften zu unterdrücken.
Erste kleine Brücken wurden im Kabelspann-System in den 50er Jahren gebaut. Das Resultat waren geringere Trägerhöhen bei gleich bleibenden Spannweiten, was den Brücken Eleganz und Leichtigkeit verlieh. Bereits 1954 hatte Hossdorf mit einem höchst eigenwilligen Projekt einer neuen Schöllenenbrücke aus vorgespanntem Granitmauerwerk die Aufmerksamkeit der Fachleute auf sich gezogen.
Die Spannbetonbrücke von Heinz Hossdorf markiert eine neue Phase des Betonbaus. Die Nachkriegszeit stand im Zeichen des schnellen Wachstums, des blühenden Wohlstands und, damit verbunden, des rasant zunehmenden Strassenverkehrs. Die dadurch vorangetriebene Entwicklung rationeller Bauverfahren gaben dem Ingenieurbau nochmals ein radikal neues Gesicht. Die Technik des Spannbetons ermöglichte Konstruktionsweisen von einer bisher unbekannten Leichtigkeit und Formenvielfalt. Hossdorfs Brücke nimmt zu Beginn der Spannbetonära vorweg, was mit dem Ausbau des Nationalstrassennetzes in den zahlreichen weit gespannten Viadukten gegen Ende der 60er Jahre in grossem Massstab umgesetzt wurde.
Die architektur- und technikgeschichtliche Bedeutung ist weniger in den einzelnen Objekten an sich begründet, sondern ergibt sich vielmehr im Zusammenwirken der Bauten zu einem über einen längeren Zeitabschnitt gewachsenen Ensemble, das dank der dadurch entstandenen wertvollen dokumentarischen Qualität einzigartig ist. Die Tatsache, dass einzelne Bauten von architektur- und technikgeschichtlich prägenden Ingenieur-Persönlichkeiten stammen, gibt dieser Bedeutung zusätzliches Gewicht.