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Gartenbad St. Jakob, Grosse Allee
Das Gartenbad St. Jakob liegt im Osten der Stadt Basel, unmittelbar nach der Stadtgrenze auf dem Gemeindegebiet von Münchenstein. Das Areal der Badeanlage erstreckt sich zwischen der St. Jakobsstrasse im Norden, der Grossen Allee im Westen und der Birs im Osten und war Teil des historischen Schlachtfeldes von St. Jakob.
Beschreibung
Gartenbad ist ein Begriff, der ab etwa 1940 für moderne Badeanlagen benutzt wird, die nicht an einem natürlichen Gewässer liegen, sondern über Bassins verfügen, die in eine Parkanlage mit Grünflächen und Spielwiesen eingebettet sind.
Das Gartenbad St. Jakob entwickelt sich auf einer Fläche von über 47'000 Quadratmetern. Inmitten einer grosszügigen Grünanlage sind die Infrastrukturbauten vornehmlich entlang der Grossen Allee, die Schwimmbecken im Norden und Süden der Grünfläche angeordnet. Die einzelnen Gebäude und Wasserbecken werden über ein orthogonales Wegenetz erschlossen, die weiten Grünflächen sind mit einzelnen Gehölzgruppen gestaltet. Es lassen sich zwölf Gebäude unterscheiden, die oft durch Mauern oder gemeinsame Dächer miteinander verbunden sind. Die meisten Bauten sind eingeschossig, das Betriebsleiterbüro, das Tribünengebäude, das Kästchengebäude und das Restaurantgebäude sind zweigeschossig. Alle Gebäude stehen rechtwinklig zueinander. Das Um-kleidekabinengebäude und das Restaurantgebäude befinden sich mitten im Gelände und unterteilen zugleich die Wasserbecken in zwei Gruppen: Im Norden liegend das Sport- und das Lernbassin, beide längsrechteckig, im Süden das heute achteckige Planschbecken, das Nichtschwimmerbassin, quadratisch mit abgerundeten Ecken und schliesslich das grosse Schwimmerbassin, dessen Rechteckform durch ein Dreieck erweitert ist.
Die Gebäude sind grundsätzlich quaderförmig und mit Flachdächern ausgestattet. Beim Tribünen-gebäude, bei dem im Obergeschoss Sitzstufen angebracht sind, ist das Dach als Terrasse zugänglich. Das Eingangsgebäude zeichnet sich durch einen quadratischen Ausschnitt in der Deckenplatte aus, wodurch eine Art Atrium entsteht. Sowohl das Hauswartsgebäude an der St. Jakobsstrasse als auch das Restaurantgebäude zeichneten sich durch einen offenen Durchgang im Erdgeschoss aus. Allerdings wurde beim Hauswartsgebäude dieser offene Bereich, durch den der Zugangsweg führte, später durch einen Büroraum weitgehend zugebaut.
Sämtliche Gebäude folgen einem orthogonalen Raster und weisen damit korrespondierende, kubische Formen auf. Horizontal lagernde Quader und vertikale Wandscheiben scheinen baukastenartig zusammengesetzt. Durch die streng kubische Formensprache entsteht ein Kontrast zum nahen Wald entlang des Birsufers. Die Wasserbecken nehmen in formaler Hinsicht eine Mittelposition ein: die geometrischen Grundformen von Quadrat, Rechteck und Kreis werden leicht abgewandelt und bilden so in der Ebene liegend eine Ergänzung zu den streng formalen Kuben der Bauten. Die Gebäude sind ihrer Nutzung gemäss in mehrere pavillonartige Einzelbauten unterteilt. Architektonisch am markantesten ist das Restaurantgebäude: Es tritt zweigeschossig als Solitär auf, gefolgt von zwei angehängten eingeschossigen Dienstgebäuden. Mit grossflächigen Verglasungen unterscheidet es sich von den luftigen Garderobenbauten.
Die Bauten bestehen aus wenigen Materialien: Stahlbeton und Klinkermauerwerk, zudem Holzwände und Eisentüren. Der schalungsrohe Beton wurde weiss getüncht. Nur einzelne Wände und Stützen sind schiefergrau gestrichen. Der verwendete Klinkerbaustein aus Lausen BL ist dunkelrot.
Konstruktion und Materialisierung
Sämtliche Bauten sind in Stahlbeton konstruiert. Die wesentliche Tragstruktur besteht aus Beton-stützen und Betonwänden, ergänzt durch einzelne Stahlstützen, wo schlankere Stützenquerschnitte gefragt waren. Einige Betonstützen sind pilzförmig ausgebildet. Die schalungsrohen Betonwände und –stützen sind weiss oder schiefergrau und in einigen Bereichen blau gestrichen. Die nichttragenden Wände sind aus dunkelroten Klinkersteinen aus Lausen BL gemauert. Die Hauptmaterialien Beton und Klinker werden durch wenige weitere Materialien ergänzt, blau gestrichene Garderobenkästen und schwarze Kabinentüren aus Eisen sowie maisgelb gestrichene Holzwände der Kabinen.
Gebäudeinneres
Die Gestaltung der Innenbereiche wird durch den Zweck und die Nutzung bestimmt. Die Umkleide-bereiche sind weitgehend in der üblichen Art gehalten, wobei die verschiedenen Typen nach Gebäuden getrennt sind. Das Schülerkojengebäude ist hauptsächlich mit Metallschränken mit perforierter Front, metallenen Leisten mit Kleiderhaken und Sitzbänken aus Holzbrettern eingerichtet. Das Kabinengebäude besteht aus gruppenweise angeordneten Einzelkabinen, die unter Pilzstützendächern gruppiert sind. Das zweigeschossige Kästchengebäude besteht aus durchgehenden Hallen, mit Deckenplatten auf Pilzstützen, ursprünglich unterteilt durch Garderobenkastenwände. Hölzerne Sitzbänke ergänzten die Ausstattung.
Ein Raum, der auf seine Aufenthaltsqualität hin angelegt wurde, befindet sich im Obergeschoss des Restaurantgebäudes. Der Restaurantsaal befindet sich über dem offenen Durchgang und wird über die Terrasse im Obergeschoss erreicht. Er ist nach zwei Seiten hin und um eine Ecke raumhoch verglast. Eine Metallplastik an der Innenwand bildet den künstlerischen Schmuck.
Aussenräume
Die Anlage und Gestaltung der Aussenräume haben eine sehr grosse Bedeutung für ein Freibad. Zeittypisch entwickelt sich der Aussenraum zwischen den Anlageteilen als nicht unterbrochene, ebene Grünfläche. Einzeln gruppierte Gehölze mit Waldföhren und Ahornarten, niedrige Hecken und Blumenrabatten bieten Schatten und schaffen Räume. Die Gehwege in der Badeanlage sind geteert und mit Pflastersteinreihen eingefasst. Zur Birs hin nimmt die Gehölzdichte zu, um einen fliessenden Übergang zum Waldstreifen zu schaffen.
Kunst am Bau
In der Badeanlage wurden der öffentlichen Funktion entsprechend mehrere Kunstwerke angebracht:
Ohne Titel, Metall- und Betonplastik an der Aussenwand des Kästchengebäudes 1954 von Hansjörg Gisiger (1919-2008).
Ohne Titel, Metallplastik im Obergeschoss des Restaurantgebäudes 1969 von Hansjörg Gisiger (1919-2008).
Ohne Titel, Spielplastik aus hellem Cristallina-Marmor beim Sportbassin 1970/71 von René Küng (*1924).
Beschriftung
Ein wichtiges Element für die Orientierung in der Badeanlage war und ist die Beschriftung, die in ihrer ursprünglichen Fassung teilweise noch erhalten ist. Sie stammt vom Basler Grafiker Armin Hoffmann (*1920).
Baugeschichte
Das Baden im Rhein war damals wiederholt ein öffentliches Thema gewesen. Die Badegelegenheiten in der wachsenden Stadt wurden immer weniger, die Industrie beanspruchte mehr und mehr das Rheinufer und die Wasserqualität des Flusses verschlechterte sich zunehmend. Für den Bau eines Sportbassins im Zusammenhang mit einer umfangreichen Sportanlage hatte die Regierung schon 1932 ein Areal im Gebiet St. Jakob reservieren lassen. Das Land hierfür erwarb die Stadt von der Christoph Merian Stiftung.
1953 veranstaltete die Bauherrin einen Wettbewerb mit zehn eingeladenen Architekturbüros. In der Jury nahmen neben Vertretern der Bauherrschaft und der umliegenden Gemeinden als Architekten Hermann Baur aus Basel und Max Frisch aus Zürich teil. Max Frisch war damals noch als Architekt tätig und wurde mit seinem 1947 - 1949 erbauten Gartenbad als Fachmann hochgeschätzt. Experte mit beratender Stimme war u.a. Richard Arioli, der verantwortliche Stadtgärtner. Der erste Preis ging an den Entwurf «Lido» des Basler Architekturbüros Max Rasser & Tibère Vadi. Die Überarbeitung und Ausführung wurde von deren Mitarbeiter Bruno Gerosa getätigt. Bereits ein Jahr später wurde der Baukredit bewilligt und die Bauarbeiten wurden aufgenommen. Im Sommer 1955 öffnete das Gartenbad für die Badefreudigen die Tore, wobei aus finanziellen Gründen nicht alle Hochbauten realisiert worden sind. Es war die von der Gesamtfläche her grösste Badeanlage in der Schweiz, wie die Zeitungen hervorhoben.
1959 wurde das Magazingebäude erweitert, 1969-1970 sind in einer zweiten Bauetappe das Restaurantgebäude, das Tribünengebäude mit Sportbassin und Sprungturm und ein Kabinengebäude nach Plänen von Rasser & Vadi erbaut worden.
Die Gestaltung des Aussenraums wurde in die Hände der Stadtgärtnerei gelegt, die unter der Leitung von Richard Arioli stand. Für die Umgebungsarbeiten ausserhalb der Einzäunung des Garten-bads wurde nach Baubeginn ein zusätzlicher Kredit gutgeheissen, der für die gartengestalterische Anbindung des Gartenbades an die Grosse Allee und an die Birs bestimmt war.
Die Architekten und der Landschaftsarchitekt
Die Architekten Max Rasser (1914-2000) und Tibère Vadi (1923-1983) führten zusammen ein Architekturbüro in Basel. Die beiden gebürtigen Basler, die vorwiegend in Raum Basel gebaut haben, zählen zu den wichtigsten Architekten der Nachkriegsmoderne in der Schweiz. Zu ihren bekanntesten Bauten gehören die Schulhäuser Spiegelfeld in Binningen 1962, Breite in Allschwil 1968 und diverse Bauten für den Basler Zolli, die international Anerkennung fanden. Zu den Ikonen der Nachkriegsmoderne in der Schweiz gehört das Geschäftshaus «Domus» in Basel, welches die Architekten 1959 erbauten.
Richard Arioli (1905-1994) war der Gartenarchitekt, der die Aussenräume des Gartenbades St. Jakob gestaltet hat. Richard Arioli arbeitete bei den Gebrüdern Mertens und Otto Froebel in Zürich, beides namhafte Landschaftsarchitekten, und wurde 1940 Leiter der Stadtgärtnerei Basel. Schweizweit bekannt wurde Arioli mit seinem Engagement für die Erstellung von Kinderspielplätzen und für die Entwicklung von Kinderspielgeräten.
Würdigung
Mit der zunehmenden Gesundheitspflege und Körperkultur im 20. Jahrhunderts gewann der Bäderbau an Bedeutung und Verbreitung. Das Motiv «Spiel, Sport, Bewegung und Körperkultur für alle» versinnbildlichte die fortschrittlich-positive Lebenshaltung der Moderne. Öffentliche Freibäder und städtische Hallenbäder wurden zu einem vielbeachteten Architekturthema der Nachkriegszeit.
Direkte Vorbilder bei der Planung des Gartenbads St. Jakob waren nachweislich die damals neu eröffneten Bäder in Zürich. Das Freibad Allenmoos (1936-1939) von Max Ernst Haefeli, Werner M. Moser und Rudolf Steiger galt anhaltend als gestalterische Referenz wie auch das Frei-und Sportbad Letzigraben (1947-1949) von Max Frisch mit den Aussenanlagen von Gustav Ammann.
Mit ihrem Entwurf greifen die Architekten Rasser & Vadi zusammen mit ihrem Mitarbeiter Gerosa die Forderung der Moderne auf und reduzieren konsequent Form, Farbe und Material. Die von Mies van der Rohe erhobene baukünstlerische Haltung «less is more» findet hier ihre überzeugende Umsetzung: Die klare Geometrie der Kuben und Flächen, der Einsatz von wenigen Materialien und Farben, eingebettet in das fliessende Grün der Aussenanlage, machen das Gartenbad St. Jakob zu einem Gesamtkunstwerk von grosser Ausstrahlung. Zeittypische Elemente wie das Ineinandergreifen von bildnerischer und grafischer Kunst sind bis auf wenige Ausnahmen bis heute erhalten geblieben. Die Beschriftung der Gebäude mit sachlich konzipierten Lettern von Armin Hoffmann sind Teil der als Swiss Style international bekannt gewordene Schriftkunst.
Im Vergleich mit den am besten gestalteten Schwimmbädern der Schweiz nimmt das Gartenbad St. Jakob einen Spitzenrang ein. Die hohe geschichtliche, städtebauliche, baukünstlerische und architekturhistorische Bedeutung der Bauten und die Aussenraumgestaltung zeichnen das Gartenbad St. Jakob als ein bedeutendes Werk sowohl der Schwimmbadarchitektur als auch der Nachkriegsmoderne aus.
Entscheidend für den Schutzcharakter und den Schutzumfang ist die Gesamtheit und das Zusammenspiel der Bauten und der Aussenräume sowie die Einheitlichkeit und Zusammengehörigkeit in der Gestaltung. Zum Schutzumfang gehören daher alle Bauten, die von Rasser & Vadi mit ihrem Mitarbeiter Bruno Gerosa in den 1950er und 1960er Jahren geplant und erstellt wurden. Ebenso die Grünanlagen mit dem orthogonalen Wegnetz, den Gehölzgruppen und Rabatten, die auf die Entwürfe von Richard Arioli zurückgehen. Des Weiteren die Beschriftungen von Armin Hoffmann sowie die noch vorhandenen Kunstwerke von regionalen Künstlern. Alle baulichen Veränderungen und Ergänzungen nach 1970 sind von geringerer Bedeutung und gehören nicht zum Schutzumfang.
Für den denkmalpflegerischen Umgang sind die folgenden, massgeblichen gestalterischen Qualitäten der Bauten und der Grünanlage zu beachten:
Die rektanguläre Struktur der Anlage und beziehungsreiche Anordnung der Bauten
Die quaderförmigen einzelnen Trakte und Gebäudeteile mit den Flachdächern
Die ablesbare Konstruktion mit Wänden aus Klinker und Sichtbeton sowie Beton- und Stahlstützen
Die Fassaden in ihrer betont flächigen Gestaltung
Die sparsam und komponiert eingefügten Fassadenöffnungen
Die reduzierte Formensprache und Farbigkeit
Die sparsame wie einfache Detailgestaltung
Das orthogonale Wegnetz, die ebene Fläche der Liegewiesen, durchsetzt mit Solitär und Gehölzgruppen
Die Blumenrabatten mit Pflanzkonzept von Richard Arioli