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Gutenbergstrasse 1
Der Ursprung der Schriftgiesserei in Münchenstein geht ins 17. Jahrhundert zurück, als Basel zu den grossen europäischen Zentren des Buchdrucks gehörte. Der Firmengründer J. J. Genath war der bedeutendste Universitätsbuchdrucker. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel übersiedelte die Schriftgiesserei nach Münchenstein und bezog die neuen Fabrikationsgebäude auf einem Areal am linken Birsufer im heutigen Neumünchenstein. Die Pläne für dieses einzigartige Produktionsgebäude zeichnete 1920 Karl Gottlieb Koller, der damals als Architekt riesiger Hotelkomplexe im Engadin gefeiert wurde. Der Entwurf sieht einen zweigeschossigen Fabrikbau vor, der um einen rechteckigen Innenhof angelegt und pro Seite in je fünf Einzelhäuschen unterteilt ist. Die parabelförmigen Kreuzgratgewölbe der Einzelhäuschen, den Ausgleich der statischen Kräfte visualisierend, ruhen auf ursprünglich rustizierten Pfeilern mit Deckplatten. Durch die Aneinanderreihung mehrerer Häuschen ergibt sich eine dynamische Dachlandschaft. In den Dachzwickeln sind jeweils fünfteilige Dachfenster eingelassen, die gleichmässiges Tageslicht einlassen, eine notwendige Bedingung für die milimetergenaue Arbeit der Schriftgiesser. Die im Aussenbau konsequent durchgeführte Gliederung in einzelne Häuschen wird im Innern zugunsten langer Säle aufgehoben. Die Türen öffnen sich alle auf den Innenhof hinaus, zu dem eine einzige Zufahrt auf der Ostseite führt. Bei der Hofeinfahrt, deren Fassade als einzige durch ein Fries gestaltet wird, befanden sich die Gemeinschaftsräume; Seiteneingänge machten Büro und Fabrikküche von aussen zugänglich. Die Abfolge der einzelnen Säle entspricht dem Produktionsprozess der Schriftgiesserei. Die Anlage wurde für 50 - 60 Arbeiter und Arbeiterinnen geplant. Bis in das Jahr 1997 behielt die Haas'sche Schriftgiesserei den traditionellen Handsatz bei und exportierte als Spezialitätengiesserei ihre Erzeugnisse weltweit. Seit 1997 ist der Betrieb geschlossen.
Im Südflügel ist im Jahre 1992 die Rudolf Steiner Schule Birseck in die Räumlichkeiten ein-gezogen. Die modulartig aufgebaute Anlage mit den einzelnen Häuschen um einen geschlossenen Innenhof kommt den Bedürfnissen einer Schule sehr entgegen. Diese Umnutzung der ehemaligen Haas'schen Schriftgiesserei ist beispielhaft und wirkt für weitere Umnutzungen von verlassenen Fabrikarealen vorbildlich.
Karl Gottlieb Koller war es gelungen, einen Bau zu schaffen, der ganz auf die Bedürfnisse der Schriftgiesserei eingeht. Im Gegensatz zu den damaligen anonymisierenden und zweck-orientierten Fabrikhallen entwirft hier Koller einen Fabrikbau, der in seinen Dimensionen und in seiner Struktur überschaubar ist und durch seine Ausrichtung auf den Innenhof eine familiäre Qualität erreicht. Inwieweit soziale Überlegungen oder das Ideal einer mittelalterlichen Arbeitsgemeinschaft beim Entwurf mitspielten, bleibt ebenso offen wie mögliche Anregungen aus den zeitgleichen Genossenschaftsbauten oder aus dem bündnerischen Kraftwerksbau.
In der klösterlichen Architektur wie im Wohnungsbau der Zwanzigerjahre ist die Gliederung in Einzelzellen bekannt.
Die in der Schweiz einzigartige Fabrikanlage ist zugleich eine der ersten Betonbauten der Region Basel überhaupt und erreicht durch ihre konstruktive und gestalterische Qualität und Originalität einen hohen Stellenwert für die schweizerische Architekturgeschichte.