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- Ev.-ref. Kirche St. Arbogast, Kirchplatz 1
Ev.-ref. Kirche St. Arbogast, Kirchplatz 1
Die im Mittelpunkt des sternförmigen Dorfes gelegene Pfarrkirche gehörte einst dem Hochstift Strassburg, an das noch das Patrozinium des Hl. Arbogast erinnert. Unter den Grafen von Froburg und Homburg, die seit dem 12. Jahrhundert die Dorfherrschaft zusammen mit den Wartenbergburgen besassen, entstand eine neue, romanische Kirche, von der noch der Chor aufrecht steht. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts kam die Kirche an die Münch von Münchenstein, die sie nach den Zerstörungen durch das Erdbeben von 1356 wieder aufbauten. Das Wappen Münch-Löwenberg im Chorgewölbescheitel weist darauf hin. Doch erst unter Konrad Münch entstanden um 1420 der neue Kirchturm, das Altarhaus und die Befestigung der Kirche mit Zinnmauer und Tortürmen. Die verarmten Münch verpfändeten 1470 das Dorf Muttenz mit der Kirche der Stadt Basel. Vor ihr übernahm Arnold zum Lufft die Kollatur der Kirche. Dieser erwies sich als grosser Gönner der Kirche, indem er zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Kirche mit grossartigen Freskenzyklen ausmalen und mit einer geschnitzten Holzdecke verzieren liess. Ebenfalls unter ihm errichtete man das Beinhaus und versah es mit Wandbildern im Innern und am Äussern. Nach der Einführung der Reformation durch die Stadt Basel wurden die Fresken übertüncht und die Ausstattung der Kirche verbrannt und verkauft. Im Laufe der späteren Jahrhunderte erhöhte man den Turm um ein Geschoss und vergrösserte die Fenster im Schiff. Ende des 19. Jahrhhunderts legte man einen Teil der Wandbilder in der Kirche frei. Die Wandbilder des Beinhauses dagegen restaurierte man erst 1955/56.
Die Kirche von Muttenz ist die einzige Kirchenanlage in der Schweiz, die allseitig von einer erhaltenen Wehrmauer umgeben ist. Ihre Befestigungsanlage gilt allerdings als ein sekundäres Element, da die Kirche selbst keinen Befestigungscharakter aufweist und die Ummauerung erst sehr später erfolgte. Ein Vergleich mit den sogenannten Kirchburgen in Südfrankreich oder in Siebenbürgen ist deshalb nur bedingt erlaubt. Die Frage nach dem Zweck dieser Befestigung aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts lässt sich wohl damit beantworten, dass die beim Erdbeben von 1356 zuerfallenen Burgen auf dem Wartenberg nicht mehr aufgebaut und somit nicht mehr als Fluchtorte der Bevölkerung dienen konnten, und daher die Kirche an deren Stelle als eine Art Refugium in Kriegszeiten treten sollte. Das Wappen der Münch über dem nördlichen Torturm beweist, dass die Anlage erst um 1420 entstandt. Das Wachthaus daneben und das Sigristenhaus im Süden entstanden erst im 16. und 17. Jahrhundert und beeinträchtigen zusammen mit dem Beinhaus die Wehrhaftigkeit der Mauer.
Am Kirchenäussern sind von der romanischen Anlage einzig das Steinquaderwerk der Nordmauer des Schiffs und eine zugemauerte romanische Tür zu erkennen. Das Masswerk der Fenster entstammt dem 17. und die Türen dem 19. Jahrhundert. Der Blick auf die Satteldächer zeigt die Abfolge von Schiff, Chor, Altarhaus und Orgelanbau. Das Wappen der Münch-Eptingen an der Nordwestecke des Turmes weist auf dessen Erbauung um 1420/30 hin. Die Deputatentafel an der Nordmauer des Schiffes dagegen berichtet über die Turmerhöhung und die Vergrösserung der Fenster. Im Innern ist vom romanischen Bau der grossartige Chor erhalten geblieben. Halb- und Dreiviertelsäulen tragen einen halbkreisförmigen Chorbogen, die Diagonalrippen und die Schildbogen des Gewölbes. Die attischen Basen mit den kraftvollen Eckknollen und die schwerden Würfelkapitelle finden sich in ähnlicher Art auch am Basler Münster oder im Elsass. Vom Chor führt eine rundbogige Tür in die Turmsakristei, wo sich eine romanische Ecksäule und der Ansatz des ehemaligen Gewölbes erhalten haben.
Das Altarhaus entstand gleichzeitig mit dem Turm an der Stelle einer halbrunden Apsis. Auf dem Schlussstein ist der Relief mit dem Antlitz des Erlösers zu erkennen. Das reizvolle Sakramentshäuschen an der Nordwand umrahmt ein mit Krabben besetztes Masswerk.Das Schiff ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts erhöht worden. Seine flache Holzleistendecke endet in geschnitztem Masswerk mit Fischblasen. Auf der Quergurte steht in gotischen Minuskeln eine Inschrift, wonach der Tischmacher Ulrich Bruder aus Basel im Jahre 1504 diese Decke geschaffen hat. In der Nordostecke des Schiffs weist eine Dreiviertelsäule mit Gewölbeansatz darauf hin, dass einst auch das Schiff ähnlich dem Chor gewölbt war.
Die ganze Westwand über der Empore nimmt das Wandgemälde mit dem Jüngsten Gericht ein. Dieses wurde um 1880 entdeckt und von Karl Jauslin mit Ölfarben übermalt und ergänzt, so dass von der alten Substanz wenig übrig blieb. Besser erhalten sind die Bilder rechts und links davon. Rechts: Einzug in Jerusalem und Ecce homo, links: Begegnung Mariä mit Elisabeth, Geburt Christi und Taufe Christi. In beiden Fällen handelt es sich um Teile eines unter dem Verputz noch vorhandene Gemäldezyklus mit dem Marienleben, der Jugend Christi und der Passion. Darunter befand sich ein Apostelzyklus mit der Jahreszahl 1507. Die grossformatigen Bilder entstanden somit wenige Jahrzehnte vor der Reformation und sind in ihrem zeichnerischen Stil stark von den Holzschnitten Schongauers und Dürrers beeinflusst.
Das zweigeschossige Beinhaus an der Südmauer zeigt an der Fassade den Hl. Christophorus, den Hl. Michael und eine Schutzmantelmadonna, gemalt um 1513. Im Innern fallen ausser der geschnitzten Holzdecke die grosszügigen Fresken ins Auge. Links der Hl. Michael als Seelenwäger und Hüter der Toten. An der Südwand das Jüngste Gericht, gerahmt von Renaissancepilastern und mit der Jahreszahl 1513. Christus, umgeben von Maria und Johannes dem Täufer und den 24 Ältesten, thront über doppeltem Regenbogen. In den Ecken verkünden Posaunenengel den Jüngsten Tag. Unten links die Seligen, unten rechts die Verdammten. Die Vielfigurigkeit ist geordnet und systematisch aufgefasst, so dass die Hauptfiguren hervortreten und die untere Zone mehr Gewicht erhält. Die nackten Seligen oder Verdammten zeigen in der Behandlung der Körper eindeutig den Einfluss der Renaissance. Sicher war hier ein anderer, fortschrittlicherer Meister am Werk als in der Kirche. Gleiches gilt für die seltene Darstellung der Legende von den dankbaren Toten an der Westwand. Der für die Toten betende Ritter wird überfallen, doch steigen die Toten aus den Gräbern und vertreiben die Feinde. Das einzigartige Landschaftsbild ist in seiner Komposition deshalb der Renaissance nahe stehend, weil die Landschaft Gebäude und Figuren organisch verbindet. Es ist eine der ersten realistischen Landschaftsdarstellungen in unserer Gegend.
Gesamthaft bietet demnach die Dorfkirche ausser der einzigartigen Befestigung einen romanischen Chor, der um 1200 entstanden der Architektur des Basler Münsters nahe steht, einen Wandbildzyklus im Schiff, der den Einfluss Schongauers und Dürrers am Oberrhein festhält, und die Wandbilder im Beinhaus, die unter dem Einfluss des Frühhumanismus der Stadt Basel wenig später als die Wandbilder der Kirche bereits den Einzug der Renaissance in der Wandmalerei beweist. Der Weg für Holbein war also hier vorgezeichnet.