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Hirschengasse 83
Mitten im Dorf Rothenfluh steht an der alten Landstrasse der grosse Gebäudekomplex des ehemaligen Gasthauses "Hirschen". Heute besteht das Gasthaus aus dem eigentlichen Wohn- und Wirtshaus, an das ein Ökonomiegebäude mit Ställen und Wagenschopf anschliesst. Westlich an das Wohn- und Wirtshaus befindet sich ein weiterer, zweigeschossiger Anbau. Auf der rückwärtigen Hofseite hat sich bis heute das ehemalige Brenn- und Waschhäuschen neben einem alten Sodbrunnen erhalten. Zum Gebäudekomplex gehört ein Garten mit einer Baumgartenanlage.
Gemäss den Bildquellen geht der Kernbau auf das 17. Jahrhundert zurück. Bei früheren Bauuntersuchungen sind die Daten 1777 (Holzbalken) und 1806 (Dachziegel) festgestellt worden, welche grössere Umbauten belegen. Der heutige Gebäudekomplex stammt im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert.
Die schriftlichen Quellen belegen für das frühe 19. Jahrhundert die vielfältige wirtschaftliche Tätigkeit des damaligen "Hirschen-Wirtes": Neben einer Landwirtschaft und der Tavernenwirtschaft ist auch eine "Schoor", d.h. eine Metzgerei betrieben worden. Die Metzgerei, im zweigeschossigen Anbau untergebracht, ist bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts belegt. 1841 wird unter Johannes Rieder, Wirt und Metzger, das bestehende Ökonomiegebäude durch einen Neubau mit geräumiger Heubühne ersetzt. Der Neubau umfasst auch den Tanzsaal oberhalb der Stalleinfahrt, der sich über die ganze Gebäudelänge erstreckt. 1873 wird das bestehende Waschhaus auf der Rückseite ebenfalls ersetzt. Jean Rieder-Buess leitet in den 1880er Jahren die letzten, grösseren Umbauten ein: Alle Gebäude werden saniert und das Wohn- und Wirtshaus um einen Stock erhöht. Damit wird Raum für drei zusätzliche Zimmer geschaffen.
Die regelmässige Fensterreihung des dreigeschossigen Wohn- und Wirtshauses belegt den Umbau im 19. Jahrhundert. Eine zweiläufige Treppe führt zum Eingang mit einer schlichten, klassizistischen Einfassung. Das Türblatt stammt ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert. Das schmiedeeiserne Wirtshausschild mit dem springenden Hirschen lädt noch heute die Wanderer zu einem Besuche ein. Im Innern hat sich die Grundstruktur weitgehend erhalten, ebenso die historisch wertvollen Ausstattungselemente wie Wandtäfer, Deckenverkleidungen, Türen und Fenster.
Der grössere Ökonomiebau beherbergt über den Stallungen den Tanzsaal mit schönen Stuckdekorationen an den Deckenspiegeln. Darüber befinden sich im Obergeschoss einfache Kammern mit Wandtäfer und Stuckleisten an den Zimmerdecken. Ebenso haben sich hier dekorativ bedruckte Linoleumböden erhalten.
Besonders hervorzuheben sind die beiden Wandbilder am Aufgang zum Tanzsaal. Die eine Darstellung hält noch im romantischen Malstil des 19. Jahrhunderts die Idylle am Lauerzersee fest: Im Bildmittelgrund die Insel Schwanau mit einer Burgruine und im Hintergrund die beiden bekannten, bildbestimmenden Berggipfel der Mythen bei Schwyz.
Das zweite Wandbild hält die Gemeinde Bürglen in präzisen Strichen fest: das heute noch bestehende Steinkreuz am Brückenkopf, die Sägerei rechts, darüber der Friedhof, die Kirche St. Peter und Paul und links davon die Tellskapelle St. Sebastian. Der ehemalige Meierturm führt den Blick zu den Schächentaler Windgällen, die schneebedeckt in der Ferne locken.
Es ist dies ein Jugendwerk von Albert Adolf Zehntner aus Reigoldswil aus dem Jahre 1912. Zehntner betrieb ein Malergeschäft in Gelterkinden und profilierte sich neben den Dekorations- und Schriftenmalereien vor allem als Heraldiker. Zusammen mit Otto Plattner, einem Baselbieter Malerkollegen, restaurierte er in mehreren Kirchen die Wandmalereien.
Das ehemalige Gasthaus "Hirschen" prägt mit seiner Grösse und den drei verschieden hohen Giebeln das Dorfbild von Rothenfluh wesentlich. Der Gebäudekomplex mit seiner unterschiedlichen, historisch belegten Nutzung vermittelt ein lebendiges Bild von der Bedeutung und vom vielfältigen Angebot eines ländlichen Gasthauses. Die bescheidene, aber vollständig erhaltene Wohnausstattung des 19. Jahrhunderts mit dem grosszügigen Tanzsaal bezeugt den damaligen Wohnkomfort.
Das ehemalige Gasthaus "Hirschen" ist als wertvoller wirtschaftshistorischer Zeuge und als bedeutendes Gebäude für das Ortsbild von Rothenfluh in das kantonale Inventar der geschützten Kulturdenkmäler aufgenommen worden.