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Kinderchalet, Hof Mapprach 92 m


Kinderchalet, Hauptfassade

Ein im Jahre 1897 erstelltes Kinderchalet auf dem Gelände des Landsitzes Bäumlihof in Riehen muss einem Bauvorhaben weichen. Da für das kulturhistorisch wertvolle Objekt auf dem Gelände kein alternativer Standort gefunden werden konnte, erklärte sich die Familienstiftung Mapprach bereit, das Kinderchalet im Park des Landgutes Mapprach an einem geeigneten Standort aufzustellen und so für die Nachwelt zu sichern.
Aus einer Baueingabe von 1897 geht hervor, dass der damalige Besitzer des Bäumlihofs in Riehen, Rudolf Geigy-Merian (1830-1970) für seine Grosskinder ein Chalet mit Wohnzimmer und Küche in Holzkonstruktion erstellen liess. Die Basler Baumeister Andreas und Johannes Schwarz wurden für die Projektausführung beauftragt. Das Kinderchalet war der Orangerie und dem Gemüsegarten vorgelagert und blickte auf den zu dieser Zeit noch existierenden Rosengarten. Im Zuge der Überbauung des Gartenbereiches in den 1990er Jahren musste das Chalet einem Doppeleinfamilienhaus weichen und wurde abseits der Gebäudegruppe an den nordwestlichen Rand der Anlage versetzt.
Die stattliche Kleinbaute setzt sich aus einem in Tannen- und Fichtenholz erstellten Blockbau und einem 43cm hohen, darunterliegenden Haustein-Sockel zusammen. Das Objekt hat eine Grundfläche von 470 cm x 320 cm. Das Äussere ist gekennzeichnet durch vier ungleiche Gebäudeseiten und ein stark vorkragendes Satteldach. Die Blockbau-Vorstösse, die bei diesem Objekt durch geschnitzte Ornamente gestalterisch hervorgehoben sind, übernehmen eine statische Funktion und gehören damit zu den konstruktiven Eigenheiten des Bautyps. Die über eine zweistufige Treppe erschlossene Veranda auf der Südseite des Gebäudes markiert den Eingangsbereich und sorgt innerhalb der giebelseitig ausgerichteten Hauptfassade für eine asymmetrische Gliederung. Die Blendfenster im Giebelfeld täuschen ein nicht vorhandenes Dachgeschoss vor und werden zu beiden Seiten mit Ziffern der Jahreszahl der Erstellung, 1897, flankiert. Die Kombination aus ornamentreichen Fensterrahmungen, einem die Schaufassade zierenden Kleeblattfries und den bleigefassten, geometrischen Zierformen der Fenstergläser sorgen für eine ausserordentliche Vielfalt dekorativer Elemente.
Die innere Raumaufteilung in Wohnstube und Küche entspricht derjenigen eines für das Berner Oberland typischen, bäuerlichen Wohnhauses. Die Raumhöhe ist gegenüber einem heutigen Durchschnittsinnenraum lediglich um ca. 15 % reduziert. Die beim Mobiliar gemessene Reduktion der Sitz- und Tischplattenhöhen beträgt ca. 9-10 % und kommt den üblichen Massen für Erwachsene nahe. Kindsgerechte Stufen führen zur Veranda, von der man in die zweiseitig belichtete Wohnstube gelangt, die wiederum als Erschliessung der ebenfalls beidseitig belichteten und reich ausgestatteten Küche dient. Die Balkendecke, die Vollvertäfelung aus gebeiztem Tannenholz sowie die massgefertigten Hochschränke in der Wohnstube erinnern an Wohnräume in gut situierten Bauernhäusern und zeugen vom hohen Anspruch, der auch im Innenraum an das Gebäude gestellt wurde. Das Ensemble bestehend aus Stabellentisch, Stabellen und zugehöriger Sitzbank ist farblich auf das Täfer abgestimmt und drückt mit seiner schmuckvollen Gestaltung das Qualitätsbewusstsein der Bauherrschaft aus. Die Stühle und der Sitzbank verfügen über kunstvoll gearbeitete Rückenlehnen und die Stuhl- und Tischbeine sind fein gedrechselt. Aussergewöhnlich ist auch, dass die mobile, kindermassstäbliche Innenausstattung sowohl im Wohnraum, als auch in der Küche vollständig erhalten ist.
Die Kleinbaute gehört zu den wenigen Beispielen eines Kinderchalets in der Schweiz und befindet sich in einem hervorragenden Zustand. Das Objekt ergänzt die im Baselbiet noch erhaltenen, aber eher bescheideneren Kinderchalets im Ehingergut in Arlesheim und im Bruckgut in Münchenstein. Der Bautypus des Kinderchalets als Kinder-Spielhaus fusst in den aufklärerischen Schriften Rousseaus, welche die Bedeutung von Spiel und Spielzeug für die Kindsentwicklung schildern. In der Folge wurden im späten 19. Jahrhunderts in grossbürgerlichen und adeligen Kreisen Spielzimmer und Spielhäuser für die Kinder eingerichtet. Als frühestes Beispiel gilt das 1853 für die Kinder von Prince Albert und Königin Victoria errichtete Kinderchalet in Osborne House auf der Isle of Wight. Abseits der repräsentativen Gärten und durch Bäume abgeschirmt wurde den Kindern eine eigene Welt geboten und sie spielerisch auf zukünftige Aufgaben vorbereitet. Der funktionierende Kochherd im Kinderchalet des Bäumlihofs lässt keinen Zweifel daran, dass auch in Riehen ein solch erzieherischer Ansatz verfolgt wurde.
Die Versetzung in den Park des Hofguts Mapprach ist als Glückfall zu werten. Der im 19. Jahrhundert ausgestaltete Park mit dem ehemaligen Feuerweiher besass ursprünglich mehrere Kabinette, von denen sich bis heute das sog. Rindenkabinett erhalten hat. Die Ergänzung der bestehenden Parkanlage mit dem Kinderchalet fügt sich gut in die Geschichte und Gestaltung des Parks ein. Der neue Standplatz liegt auf einer kleinen Anhöhe am nordöstlichen Rand der Anlage.
Der sehr gute Erhaltungszustand, die überaus reiche kunsthandwerkliche Gestaltung der Baute und der Innenräume, die grosse volkskundliche, architektur- und sozialgeschichtliche Bedeutung des Kinderchalets von 1897 begründen dessen hohen Denkmalwert und die Aufnahme der Kleinbaute in das kantonale Inventar der geschützten Kulturdenkmäler.