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- Ausgabe Juni 2024
- Perspektiven: Integration aus juristischer Perspektive
- Fallbeispiele zum Thema Integration aus der Praxis
Fallbeispiele zum Thema Integration aus der Praxis
Bei den nachfolgenden Beispielen handelt es sich um reale Fälle vom Amt für Migration und Bürgerrecht BL (anonymisiert), die aufzeigen sollen, wie das Gesetz (AIG) in bestimmten Situation ausgelegt worden ist.
Beispiel 1: Erteilung Niederlassungsbewilligung
- Der indisch-amerikanische Doppelbürger Ramy reist zur Erwerbstätigkeit in die Schweiz ein.
- Er arbeitet bei einem grossen Pharmaunternehmen.
- Er hat bereits in vielen Ländern gearbeitet und weiss, dass er die Schweiz irgendwann wieder verlassen wird.
- Der Ehemann und zwei Kinder (12 und 13 Jahre alt) begleiten ihn.
- Die Kinder besuchen die „International School“.
- Beide Ehegatten besuchen zu Beginn des Aufenthalts einen von der Firma finanzierten Deutschkurs (Niveau A2).
- Bei der Arbeit und in der Freizeit sprechen sie nur englisch und nehmen am internen Firmensport teil.
- Nach fünf Jahren in der Schweiz erhalten sie einen Brief des Amts für Migration und Bürgerrecht, dass von Amtes wegen die Erteilung der Niederlassungsbewilligung C geprüft werde.
- Wenn die Integrationskriterien nach Art. 58a AIG erfüllt sind, wird die Niederlassungsbewilligung C erteilt.
- Ramy und sein Ehemann verstehen den Brief nicht und übergeben ihn dem Immigration Officer der Firma.
- Dieser reicht alle Unterlagen ein und wenige Wochen später erhalten alle vier die Niederlassungsbewilligung C.
Beispiel 2: Prüfung einer sogenannten «Rückstufung»
- Federica ist italienische Staatsbürgerin in dritter Generation in der Schweiz.
- Die Eltern liessen sich aus finanziellen Gründen (drei weitere Kinder) nie einbürgern, weshalb Federica die Niederlassungsbewilligung C hat.
- Federica ist Pfadileiterin und spielt Badminton im Verein.
- Sie absolviert eine Lehre als Elektrikerin.
- Kurz nach ihrem 18. Geburtstag beginnt sie, Drogen zu konsumieren.
- Es entstehen Schulden in Form von Betreibungen und Verlustscheinen.
- Federica wird zudem strafrechtlich verurteilt, weil bei ihr Drogen gefunden werden.
- Sie verliert ihre Lehrstelle.
- Um einen Neuanfang zu starten, meldet sich Federica bei der Sozialhilfebehörde ihrer Wohngemeinde an.
- Nach einigen Monaten erhält Federica einen Brief des Amts für Migration und Bürgerrecht mit dem Titel „Verwarnung“, in welchem ihr mitgeteilt wird, dass aufgrund der Schulden, der Verurteilung (beides Verstösse gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung), und wegen des Sozialhilfebezugs die Integrationskriterien nach Art. 58a AIG nicht (mehr) erfüllt seien und deshalb eine Rückstufung (Entzug Niederlassungsbewilligung C und Erteilung Aufenthaltsbewilligung B) möglich sei, wenn sich ich Verhalten nicht ändere. Ihre Situation werde in einem Jahr noch einmal überprüft.
Beispiel 3: Integrationsvereinbarung
- Fejme ist 50 Jahre alt und lebt seit über 20 Jahren mit ihrem Ehemann und den drei mittlerweile erwachsenen Kindern in der Schweiz.
- Zu Beginn des Aufenthalts in der Schweiz arbeitete nur der Ehemann, während Fejme die Kinder betreute.
- Das Einkommen reichte nicht, weshalb sie zusätzlich Sozialhilfe bezogen.
- Als die Kinder älter wurden, wurde Fejme durch das Amt für Migration und Bürgerrecht aufgefordert, nun ebenfalls eine Arbeitsstelle zu suchen, um die Sozialhilfekosten zu reduzieren.
- Fejme bemüht sich nicht um eine Arbeit, u.a. weil sie kaum Deutsch spricht.
- Als das jüngste Kind 16 Jahre alt ist, wird Fejme durch das Amt für Migration und Bürgerrecht aufgrund des langjährigen Sozialhilfebezugs verwarnt.
- Die Familie hat zu diesem Zeitpunkt insgesamt über CHF 250‘000.—Sozialhilfe bezogen.
- Fejme unternimmt weiterhin keine Stellensuchbemühungen und besucht keinen Deutschkurs. Sozialhilfe erhält sie weiterhin.
- Fejme wird vom Amt für Migration und Bürgerrecht für ein persönliches Gespräch eingeladen, in welchem ihr vermittelt wird, wie wichtig es sei, dass sie einen Deutschkurs besuche und eine Arbeitsstelle suche, da sonst auch ihre Aufenthaltsbewilligung widerrufen werden könne.
- Das Gesetz sieht vor, dass bei erhöhtem Integrationsbedarf, d.h. bei Nichterfüllung der Integrationskriterien nach Art. 58a AIG, sog. Integrationsvereinbarungen geschlossen werden können.
- Fejme unterzeichnet beim AFMB eine Vereinbarung, dass sie im kommenden Jahr Deutsch lernen wird und Bewerbungen verschicken wird.
- Nach einem Jahr wird die Einhaltung dieser Vereinbarung überprüft.
- Wird diese schuldhaft nicht eingehalten, kann die Aufenthaltsbewilligung widerrufen werden, sofern sich dies als verhältnismässig erweist.
- Fejme reicht nach einem Jahr eine Deutschkursbestätigung ein und kann eine Teilzeitstelle vorweisen.
- Ihre Aufenthaltsbewilligung wird verlängert und sie wird vom AFMB aufgefordert, ihr Pensum schrittweise zu steigern, um sich ganz von der Sozialhilfe ablösen zu können.
Beispiel 4: Nachehelicher Härtefall
- Mahmoud ist tunesischer Staatsangehöriger, hat vor 4 Jahren die Schweizerin Fatima geheiratet und ist anschliessend im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz eingereist.
- Das Ehepaar hat keine Kinder.
- Leider lebten sich Fatima und Mahmoud auseinander und vor Kurzem haben sie sich getrennt und den gemeinsamen Haushalt aufgelöst.
- Mahmoud erhält einen Brief vom Amt für Migration und Bürgerrecht, dass sein Aufenthaltszweck grundsätzlich dahingefallen sei und er sich nur weiterhin in der Schweiz aufhalten dürfe, wenn er die Integrationskriterien erfülle.
- Das AFMB verlangt diverse Unterlagen ein und fragt ihn nach den Folgen, die eine Rückkehr nach Tunesien für ihn hätte.
- Mahmoud reicht seinen Arbeitsvertrag (Vollzeitstelle) und sein Deutschzertifikat (Niveau A2) ein.
- Zu Beginn seines Aufenthalts wurde er wegen eines eher schweren Verkehrsdelikts verurteilt und aus diesem Gerichtsverfahren entstanden Schulden in der Höhe von rund CHF 10‘000.—.
- Seine Eltern und Geschwister leben in Tunesien und er besuchte sie in den vergangenen vier Jahren regelmässig.
- Das Integrationskriterium der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist nicht erfüllt, alle anderen hingegen sind erfüllt, weshalb der Widerruf der Bewilligung unverhältnismässig wäre. Wenn jedoch ein erhöhter Integrationsbedarf im Sinne von Art. 58a AIG besteht, kann die Aufenthaltsbewilligung mit zusätzlichen Bedingungen versehen werden.
- Das AFMB verlängert die Bewilligung von Mahmoud, aber unter der Bedingung, dass er künftig nicht mehr straffällig wird und er keine neuen Schulden macht. Ausserdem müsse er die bestehenden Schulden zurückzahlen.
- Sollte er diese Bedingungen nicht erfüllen, kann seine Aufenthaltsbewilligung widerrufen werden.