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Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Am 1. Mai 2020 begann die ehrenamtliche Grenzbegehung BL durch die Gebrüder Reimann. Trotz der Ehrenamtlichkeit legte der Kantonsgeometer seinem Bruder den Inhalt des Artikels 22 der Geometerverordnung klar: Die Ingenieur-Geometerin und der Ingenieur-Geometer verpflichten sich zur Wahrheit sowie zur sachgerechten, sorgfältigen und gewissenhaften Ausübung ihrer Tätigkeit.
Diese Regeln wurden während der gesamten Forschungswanderung befolgt.
Patrick Reimann, pat. Ing.-Geom., Amt für Geoinformation des Kantons Basel-Landschaft
Wahr ist, dass das Protokoll nach gut drei Jahren, nach insgesamt 27 Wandertagen entlang der 232 km langen Kantonsgrenze be- und geschlossen wurde.
Gewissenhaft ist, dass die Wanderung konsequent entlang der Kantonsgrenze erfolgte. Etwa 130 km führten deshalb weglos durch das Unterholz und beim Queren, Erklimmen sowie Absteigen steiler Hänge wurden über 12’000 Höhenmeter überwunden!
Und ebenso gewissenhaft wurde dabei innerhalb eines Streifens von rund 10 Metern erkundet, was in der frühen Neuzeit bis heute alles an Zeitzeugen aufgestellt wurde.
Ein Abweichen davon erfolgte bei den Felsbändern im Juragebiet. Diese wurden nicht entlang der Kantonsgrenze erklettert und es wurde auch nicht darüber abgeseilt – die Vernunft ging so weit vor, wie es bei der Einhaltung der Regeln noch verkraftbar war.
Aber mit Brombeeren überwucherte Strecken wurden nach dem Freischlagen durchschritten – man durfte ja nichts verpassen.
Die ursprüngliche Wanderung entwickelte sich dadurch zur eigentlichen Forschungsreise: Es wurden 1’233 Landes- und Kantonssteine gefunden, fotografiert und protokolliert.
Sorgfältig und sachgerecht ist schliesslich, dass man die sich stellenden Rätsel annahm und mit Recherchen in Archiven teilweise löste.

Besonderheiten und Kuriositäten
Der älteste Stein führt den eingemeisselten Jahrgang 1626 (Abb. 2a), feiert also demnächst das 400-jährige Jubiläum!
Die zwei jüngsten Steine stammen aus dem Jahr 2010 und stehen an der Kantonsgrenze zum Kanton Jura. Bei diesen wurde nebst dem Siebentupf auch das Jurawappen eingemeisselt – notabene für den Kanton Jura das erste Mal seit der Kantonsgründung im Jahr 1979 (Abb. 2b). Nach der Steinsetzung wurde dieses gemeinschaftliche Werk denn auch gebührend mit einem Apéro begossen und so feierlich abgeschlossen!
Eigenartig erschien ein Kantonsstein in Wahlen im Laufental mit dem Jahrgang 2004. In diesem wurde zehn Jahre (!) nach dem Übertritt des Laufentals vom Kanton Bern in den Kanton Basel-Landschaft (1994) frisch das Berner Wappen eingemeisselt (Abb. 2c) – mit einem kopfschüttelnden Lächeln wurde diese Kuriosität entgegengenommen und als solche abgebucht… Meldungen dazu werden vom heutigen Kantonsgeometer BL gerne entgegengenommen.

Historische Akrobatik
Das sehr aufmerksame Auge entdeckt hoch im Felsen an der Kantonsgrenze zwischen Röschenz und Kleinlützel die Einmeisselung der Wappen des «Canton» Solothurn und des Bischofwappens von Rinck von Baldenstein als Vertreter des «Fürstentums» Basel aus dem Jahr 1761 – notabene sieben Meter über dem Boden.

Die Entdeckung dieses akrobatischen Meisterwerks konnte erst beim zweiten Lauf nach dem Studium des historischen Plans im Staatsarchiv Bern gelingen. Bischof Josef Wilhelm Rinck von Baldenstein war übrigens fleissig. In seiner bischöflichen Hegemonie zwischen 1744 bis 1761 liess er insgesamt 51 Zeitzeugen aufstellen, allein 12 davon rund um Kleinlützel in seinem letzten Jahr 1761 als Regent.

Historische Genauigkeit
Am Freitag, 13. Mai 2022 feierten Basel-Stadt und Basel-Landschaft unter kräftiger Unterstützung des Tiefbauamts BL ein Fest über die Schönheit, Teamgeist und historische Genauigkeit.

Im Dezember 2021 entschieden das Grundbuch und Vermessungsamt BS und das AGI BL, den abgebrochenen Stein 85 vollständig zu erneuern – es wurde daraus der Schöne – und seinen benachbarten Stein 84 wieder aus dem Boden hievend sichtbar zu machen – es wurde daraus der Auferstandene. Die Lohe in Abbildung 4b ist eine schwarze Scherbe, welche vor 1875 in einem 1.5 Meter tiefem Loch als «Zeuge» des Steins 84 im Boden versenkt wurde. Der Stein sollte – damals wie heute – exakt zentrisch darüber aufgestellt werden. Sollte es zu einem Streit über die Grenzlage kommen, wird zur Schlichtung der Zeuge ausgegraben. Haben 1875 auch sieben Mannen mit einem Bagger den 400 kg schweren Stein zentrisch aufgestellt? Wohl nicht, aber tüchtig waren sie auf jeden Fall und ein Teamgeist müssen sie dabei auch gehabt haben. Weil: Beide Ämter haben einvernehmlich zuerst den versunkenen Stein 84 gemessen und dann die freigelegte Lohe. Der Unterschied betrug 7 mm…
Ausklang
Wer hätte gedacht, zu welchen akribischen und lohnenden Recherchen diese Grenzbegehung führen würde. Einige Rätsel konnten gelöst werden, andere animierten zu Vermutungen – und manche bleiben unergründbar. Der Zauber, der dem Anfang innewohnte, hat bis zum Schluss seine Kraft behalten.
GeoView
Die 1’233 Protokolle können nun im GeoView BL angeschaut werden. In der Legende sind vorerst alle gefundenen Steine aufgeführt und zusätzlich die Zeitzeugen, welche Bischof Josef Wilhelm Rinck von Baldenstein zwischen 1744 bis 1761 aufstellen liess.
Viel Vergnügen!
In einem nächsten Schritt werden Angaben zur Lage der Grenzsteine mit den folgenden Merkmalen folgen:
- Jahreszahl gemäss Bischof
- Meereshöhe (der Höchste und der Tiefste)
- die zehn Schönsten
- der Falsche
- der Älteste – und die Jüngsten
- Material
- Sandstein
- Kalk
- Granit
- in Fels eingemeisselt
- Bolzen
…und an einer ausführlichen Publikation wird gearbeitet.