Bis 1981 wurden in der Schweiz aus sozialen, moralischen oder wirtschaftlichen Gründen fürsorgerische Zwangsmassnahmen gegenüber Jugendlichen und Erwachsenen sowie Fremdplatzierungen von Kindern und Jugendlichen durchgeführt.
Verding-, Kost-oder Pflegkinder / Heimkinder (Fremdplatzierungen)
Bis 1981 wurden in der Schweiz zehntausende Kinder und Jugendliche von Behörden aus wirtschaftlichen oder moralischen Gründen bei Privaten (oft Bauernfamilien) als billige Arbeitskräfte ver-"dingt"(Verding-, Kost-oder Pflegekinder) oder in streng geführte Heime oder geschlossene Einrichtungen fremdplatziert (Heimkinder). Diese Kinder und Jugendlichen haben oft unsägliches Leid und Unrecht erlitten. Sie waren oft massiver körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt, wurden misshandelt, ausgebeutet, nicht selten sexuell missbraucht und litten extrem unter der Trennung von ihren Eltern und Geschwistern. Die platzierenden Instanzen waren neben Gemeinde- und Kantonsbehörden auch private Organisationen. Die Kinder und Jugendlichen stammten oft aus armutsbetroffenen Familien oder sie waren Waisen, Halbwaisen oder unehelich geboren. Viele geschlossene Institutionen wurden auch von privaten und kirchlichen Initianten geführt. Bei der Unterbringung bei Privaten stand meistens die Arbeitsleistung eines Kindes im Vordergrund, ein Familienanschluss war in vielen Fällen nicht vorgesehen. Es kam auch vor, dass an fremdplatzierten Kindern sowie an Patienten von psychiatrischen Anstalten Medikamentenversuche durchgeführt wurden.
Administrative Versorgungen
Jugendliche und Erwachsene konnten von Verwaltungsbehörden bis 1981 ohne Gerichtsurteil und ohne eine Straftat begangen zu haben auf unbestimmte Zeit zur «Nacherziehung» oder «Arbeitserziehung» in geschlossene Institutionen, unter anderem auch in Strafanstalten, eingewiesen werden. Obwohl auf zahlreiche Gesetze gestützt, war die Praxis der Behörden rechtsstaatlich problematisch und vielfach von offener Willkür geprägt. Als Begründung reichte, dass jemand als «arbeitsscheu» oder als «liederlich» bezeichnet wurde oder beispielsweise auch die Schwangerschaft einer ledigen Frau. Die Betroffenen konnten sich zu den Vorwürfen in der Regel nicht äussern und verfügten über keinerlei Rechtsmittel, um sich gegen diese Massnahmen zu wehren.
Eingriffe in die Reproduktionsrechte
Bis in die 1970er Jahre wurden in der Schweiz aus wirtschaftlich-sozialen Gründen Zwangssterilisationen und -kastrationen sowie Zwangsabtreibungen durchgeführt. Die Sterilisation oder Kastration durfte in der Regel zwar nur mit der Einwilligung der oder des Betroffenen geschehen. Um diese Einwilligung zu erhalten, wurde in vielen Fällen jedoch Druck ausgeübt, etwa durch die Androhung des Entzuges von Unterstützungsleistungen.
Zwangsadoptionen
Bis in die siebziger Jahre existierte in der Schweiz die Praxis, dass Vormundschaftsbehörden Mütter von ihren Neugeborenen trennten und die Kinder, gegen den Willen ihrer Mütter, zur Adoption freigaben. Als Begründung reichte, dass die Mütter minderjährig oder ledig waren, sie aus ärmlichen Verhältnissen stammten oder angeblich ein «liederliches Leben» führten. Eine schriftliche Einwilligung von Seiten der betroffenen Frauen war bei Adoptionen zwar notwendig. Dokumentierte Fälle weisen aber darauf hin, dass Frauen die Adoptionserklärung oft unter grossem Druck unterschrieben, obwohl sie damit nicht einverstanden waren.
Fahrende
Zwischen 1926 bis 1973 hat das private «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» mit behördlicher Unterstützung über 600 jenische Kinder den Eltern weggenommen und zur Adoption freigegeben oder fremdplatziert.
Quelle: http://www.fuersorgerischezwangsmassnahmen.ch/index.html mit weiterführenden Links.