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Zeichen der Erinnerung des Kantons Basel-Landschaft
«Diese Gedanken-Bank erinnert an die schmerzlichen Erfahrungen der Betroffenen fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen.»
Was steckt hinter diesen Zeilen?
Bis in die 1980er Jahre kam es in der Schweiz zu so genannten "fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen": Verwaltungsbehörden, auch im Kanton Basel-Landschaft, ordneten Zwangsmassnahmen wie administrative Versorgungen (Einweisungen in geschlossene Institutionen oder Strafanstalten), Zwangskastrationen und -sterilisierungen, Zwangsabtreibungen oder Zwangsadoptionen sowie Fremdplatzierungen in Kinder- und Jugendheime, bei Pflegefamilien oder Bauern (Verdingung) an. Solche Fremdplatzierungen erfolgten zum Teil durch Behörden, zum Teil unter Mitwirkung oder zumindest im Wissen von Behörden und zum Teil auf privater Basis. Die hauptsächlichen Gründe für Fremdplatzierungen waren Armut, Verlust eines oder beider Elternteile, uneheliche Geburt, Scheidung der Eltern oder Anpassungsschwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen in der Ausbildung. Nicht alle fremdplatzierten Kinder und Jugendlichen wurden im Heim oder in der Pflegefamilie schlecht behandelt. Ein erheblicher Teil von ihnen wurde aber an ihrem neuen Lebensort durch physische, psychische oder sexuelle Gewalt, wirtschaftliche Ausbeutung, soziale Stigmatisierung und aktive Behinderung der persönlichen Entwicklung und Entfaltung in ihrer Integrität nachhaltig verletzt, indem ihre Grundrechte und ihre Würde missachtet wurden. Diese Betroffenen und deren Angehörige leiden heute noch unter körperlichen, seelischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen der missbräuchlichen Fremdplatzierungen.
Der Kanton Basel-Landschaft möchte dazu beitragen, die Erinnerung an dieses Leid, das viele Leben zerstört hat, wachzuhalten und die Bevölkerung darüber aufzuklären, damit so etwas zukünftig nie wieder geschehen kann. In Anbetracht der Schwere der Missbräuche und der Tragweite von deren Auswirkungen sah man deshalb ein "Zeichen der Erinnerung" als angebracht. Damit einhergehen sollte eine öffentliche Entschuldigung an die Betroffenen.
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft hat zu diesem Zweck im Sommer 2019 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um ihm diesbezüglich Vorschläge zu unterbreiten. Im Zuge dessen hat eine aus Verwaltungsvertretungen und weiteren Beteiligten, insbesondere auch Direktbetroffenen, zusammengesetzte Arbeitsgruppe unter der Federführung der Sicherheitsdirektion bis Ende 2019 eine Auslegeordnung der zahlreichen, sehr unterschiedlichen Möglichkeiten der Umsetzung eines Zeichens der Erinnerung vorgenommen und im Rahmen der Interpellation 2019/369 Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen: Was tut der Kanton Baselland gegen das Vergessen? von Adil Koller einen Vorschlag zuhanden des Regierungsrats erarbeitet.
Die Arbeitsgruppe setzte sich wie folgt zusammen: Thomas Affolter (Birmann-Stiftung), Liliane Bucher (Betroffene), Adil Koller (SP Baselland, Interpellant), Mariflor Lopez (Juristische Mitarbeiterin kantonale Opferhilfe BL), Regula Nebiker (ehem. Leiterin Staatsarchiv BL), Doris Oechslin (Leiterin kantonale Opferhilfe BL und Leitung der Arbeitsgruppe), Paul Richener (Betroffener und ehem. Gemeinderat in Nusshof BL), Caroline Zürcher (KESB Birstal).
Die Wahl der Arbeitsgruppe fiel schliesslich auf insgesamt 13 halbrunde "Gedankenbänke" an mehreren, im ganzen Kantonsgebiet verteilten, Standorten. Aufgrund ihrer geschwungenen Form fördern die Bänke das Einander-Zuwenden und damit die Kommunikation ihrer Besucher. Die halbrunde Ausgestaltung hebt die Bänke gleichzeitig von üblichen, geraden Sitzbänken ab und macht sie auf diese Weise einzigartiger und sichtbarer. Eine metallene Gedenktafel mit dem oben genannten eingravierten Text «Diese Gedanken-Bank erinnert an die schmerzlichen Erfahrungen der Betroffenen fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen. » ist auf der Rücklehne der Bänke angebracht. Ergänzt wird die Tafel durch einen QR-Code und die Angaben dieser Website, welche Hintergrundinformationen zu den Bänken und rund um das dunkle Kapitel schweizerischer Sozialgeschichte liefert.
Die Produktion der Bänke erfolgte in der Schreinerei des Massnahmenzentrums für junge Erwachsene Arxhof. Sämtliche Bänke wurden aus Eichenholz aus dem Baselbiet gefertigt. Aufgestellt wurden die Rundbänke in den nachfolgenden 12 Gemeinden in allen Kantonsteilen: Allschwil (Wegmattenpark), Arlesheim(Bachtelengraben-Weglein), Binningen(Schlossacker-Park), Bubendorf(Schloss Wildenstein), Gelterkinden(Strehlgasse 19), Laufen(Vorstadtplatz 2), Liestal(vor dem Bücheli Center), Pratteln(Parkanlage Grossmatt), Reinach(Kreuzung Brunngasse/Hinterlindenweg), Rünenberg(Weiherweg), Sissach(Sissacherfluh), Waldenburg(Waldweide am Wanderweg) sowie eine Bank auf dem Gelände des Massnahmenzentrums für junge Erwachsene Arxhof; dies im Unterschied zu den bekannten «Stolpersteinen» bewusst nicht an spezifischen Orten, wo besonderes Unrecht geschah, sondern an öffentlich gut frequentierten Plätzen mit möglichst viel Publikumsverkehr. Einerseits, um nicht einzelne Personen oder Orte besonders zu brandmarken, sondern im Gegenteil, der (örtlichen und allgemeinen) Beliebigkeit der missbräuchlichen Fremdplatzierungen Ausdruck zu verleihen. Andererseits, damit diese Zeichen der Erinnerung, anders als die Betroffenen, nicht «ins Abseits», sondern «mitten ins Leben», und für einmal ins Zentrum, gestellt werden. Damit soll deren Wichtigkeit Ausdruck verliehen werden und ihre Funktion des Erinnerns und des Solidarisierens zum Tragen kommen. Die Bänke sollen Orte der Begegnung sein und zum Verweilen und Nachdenken anregen.
Einweihungsanlass am 28. April 2021
Der ursprünglich auf September 2020 geplante Einweihungsanlass der Gedankenbänke musste aufgrund der Ausbreitung der Corona-Virus-Pandemie abgesagt resp. auf das Frühjahr 2021 verschoben werden. Man erhoffte sich durch die Verschiebung einen grösseren Anlass durchführen zu können. Leider hält die Corona-Pandemie die Schweiz länger in Atem, weshalb auf einen Grossanlass gänzlich verzichtet werden musste. Anstelle dessen wurde ein Medienanlass geplant.
Am 28. April 2021 um 10:00 Uhr, fand schliesslich bei der Gedankenbank im Wegmattenpark in Allschwil ein Medientermin zur öffentlichen Einweihung und Bekanntmachung des Zeichens der Erinnerung des Kantons Basel-Landschaft statt. Dazu gehörte auch das Aussprechen einer Bitte um Entschuldigung gegenüber den Betroffenen für das erfahrene Leid seitens Regierungsrätin Kathrin Schweizer im Namen des Kantons Basel-Landschaft – im Wissen darum, dass dies das Geschehene auf keine Weise zu mildern vermag.
Aufgrund der Pandemie musste die Teilnehmeranzahl auf 15 Personen reduziert werden. Stellvertretend für die Betroffenen war Herr Paul Richener, selber Betroffener und ehem. Gemeinderat von Nusshof, anwesend, um die Entschuldigung entgegen zu nehmen und gleichzeitig, um etwas aus seiner Sicht zu den Bänkli, dem baselländlichen Zeichen der Erinnerung, zu sagen.